von Marxelinho

Bibliothekswesen


Am Wochenende war ich also in London. Ein kurzer Besuch, um Arsenal beim ersten Spiel der neuen Premier-League-Saison zu beobachten. Das Emirates Stadium hat unter Fans nicht den besten Ruf, es wird gelegentlich als "Library" verunglimpft, als ein Ort, an dem Ruhe das erste Gebot ist. Das ist natürlich eine Zuspitzung, denn leise ist es dort nicht. Es fehlt nur an der organisierten und geballten Unterstützung, für die in vielen anderen Stadien die Gruppen sorgen, die sich eigens dafür zuständig sehen. So schwappt gelegentlich eine Welle der Aufmunterung durch das elegante Rund, häufiger aber sind individuelle Rufe des Missfallens und der Zustimmung, aus denen sich dann so etwas wie ein Rumoren ergibt, das sich gelegentlich zu echter Stimmung steigert.

Am frühen Samstagabend gegen Crystal Palace dominierten fast 90 Minuten lang die Unmutsäußerungen. Es lief nicht so viel zusammen bei Arsenal, dazu spielte Crystal Palace ein mustergültiges Verschieben, es gab so gut wie keine Räume. Trotzdem fand ich es unangebracht, wie häufig das populärste Schimpfwort zum Einsatz kam: "Youre sh*t!" Das galt praktisch nur den eigenen Spielern, die halt Schwierigkeiten hatten, ein Kombinationsspiel aufzuziehen.

Am Ende reichte es doch zu einem 2:1, alle drei Tore entstanden aus Eckbällen, wobei der Faktor Raumdeckung bei Arsenal eine wichtige Rolle spielte. Offensichtlich lässt Steve Bould bei der Verteidigung von Cornern nicht mit individueller Zuordnung decken, was Brede Hangeland mit einem diagonalen Lauf durch den Fünfmeterraum auf das kurze Eck recht leicht zu nutzen wusste. Damit lag Arsenal nach etwas mehr als einer halben Stunde zurück, kurz vor der Pause half aber Crystal Palace die entsprechende, auf Yaya Sanogo konzentrierte Manndeckung auch nichts, weil dadurch Koscielny nicht ausreichend Aufmerksamkeit bekam.

Aaron Ramsey erzielte in der Nachspielzeit den Siegestreffer, nachdem Giroud einen hohen Ball in den Strafraum weiterleiten konnte. Es war ein ekstatisches Ende eines mittelmäßigen Spiels an einem wunderbaren, allerdings windig-kühlen Abend in London. Ich spazierte danach ganz langsam in Richtung der Station Highbury-Islington und genoss es, zu sehen, wie sich die Menge nur ganz allmählich in den Stadtraum hinein verlor. Noch zwei Stunden später konnte ich in der Piccadilly Line ganz im Westen Fans zuhören, die immer noch hingebungsvoll das Spiel diskutierten. Das Wort "sh*t" war da nicht mehr zu hören, es war ja alles gut ausgegangen, und auch die schnelle Pizza danach hatte wohl geschmeckt.

Das Emirates ist ein Musterbeispiel einer funktionalen Fußballarena. Besonders auffällig sind die geschwungenen Linien bei den oberen Rängen, die natürliches Licht in das Stadion lassen, ohne dass aber das Spielfeld davon betroffen ist. Bei der WM in Brasilien war das Sonnenlicht ja ein echter Störfaktor für das Fernsehbild. Die Ränge sind steil, wie das heute üblich ist, die Kommunikation zwischen Publikum und Mannschaft schon sehr intensiv. Wenn man das ins Positive wenden kann, ist das ein enormer Faktor. Dazu muss aber die Bibliotheksdistanz überwunden werden, die Mannschaft muss es schaffen, die Menge mitzunehmen. Das gelingt nur an besonderen Abenden.

Heute spielt Arsenal in Istanbul gegen Besiktas die erste Begegnung um die Qualifikation für die CL-Gruppenphase. Es steht zu hoffen, dass die Mannschaft sich nicht zu sehr auf das Rückspiel vor eigenem Publikum verlässt.

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