von Marxelinho

Sturmtief mit Höhenflug

Es war in mancherlei Hinsicht ein idealer Sonntag gestern: draußen ein Sturmtief, drinnen schön warm, tagsüber ein paar Stunden einem Steckenpferd und dem guten Buch gewidmet, und dabei immer schon die leichte Vorfreude auf ein Fußballspiel am späten Nachmittag. Arsenal gegen Manchester United. Ein englischer Klassiker, von dem ich mir nach dem enttäuschenden Spiel von Hertha am Samstag noch ein wenig mehr erwartete.

Ich wurde nicht enttäuscht. In einem packenden Spiel setzte sich Arsenal mit 2:0 durch. Das Ergebnis gibt nicht wieder, wie knapp es in Wirklichkeit war, insgesamt war es aber auch richtig verdient. Eine Schlüsselszene wird seither auf Twitter herumgereicht, ein großartig fließender Spielzug von United, dem sich im wirklich allerletzten Moment Granit Xhaka in den Weg warf: mit einem Tackle, das an schlechteren Tagen wahrscheinlich einen Elfer und eine rote Karte mit sich gebracht hätte. Das Detail daran: er entscheidet sich für den richtigen Fuß.

Xhaka war einer der Schlüsselspieler, der zweite war Bernd Leno. Beiden habe ich zuletzt das Misstrauen ausgesprochen, gestern haben sie mich eines Besseren belehrt. Das hat aber insgesamt viel mit dem entscheidenden Faktor zu tun: Arsenal kam in dieses Schlüsselspiel mit einer peinlichen Niederlage im Gepäck (das 1:3 am Donnerstag bei Stade Rennes). Man spürte aber nichts von der Enttäuschung, und auch nichts von der Erschöpfung. Die Mannschaft arbeitete leidenschaftlich, vielfach auch mit Geschick (Maitland-Niles und seine Comebacks in Laufduellen), und sie nahm das Emirates so richtig mit.

Unai Emery hatte eine offensive Aufstellung gewählt, wobei die Entscheidung für Özil vielleicht auch mit dem Ausfall von Mkhitaryan zu tun hatte. Wichtiger aber war, dass ausnahmsweise einmal Ramsey und Özil zugleich auf dem Platz standen - eine Variante, die ohnehin immer zur Verfügung stand, weil Ramsey ja ein toller Achter ist, die Emery aber nie wollte. Gestern aber also: Xhaka, Ramsey und Özil hinter der Doppelspitze Aubameyang und Lacazette. Außen der starke Kolasinac und endlich wieder ein satisfaktionsfähiger Mann rechts, eben Maitland-Niles. (Zuletzt dort aktiv: Lichtsteiner und Mustafi, beide nicht auf der Höhe.)

Eine halbe Stunde machte Arsenal das Spiel, das Führungstor erzielte Xhaka mit einem Weitschuss, den de Gea nur als "bewildering" erlebt haben kann. Die Flugbahn des Balls war jedenfalls abenteuerlich. United hatte eine Reihe von Großchancen, aber Arsenal warf sich hinein. In der zweiten Halbzeit wurde es dann doch aber allmählich brenzlig, zumal personell keine großen Optionen offen standen: ich dachte schon daran, Özil durch Elneny zu ersetzen, um im Mittelfeld auf eine Dreierkette umzustellen (Elneny - Xhaka - Ramsey), aber bevor Emery noch taktisch eingriff, fiel die Vorentscheidung. Der großartige Lacazette lief vertikal in den Sechzehner, und Fred machte eine winzige Andeutung eines Remplers. Ich hätte den Elfmeter nicht gegeben, aber ich saß ja im Warmen.

Auch von diesem Moment gibt es inzwischen Twitter-Folklore: Lacazette macht Auba Mut für den Elfmeter. Wir erinnern uns: Gegen Tottenham schoß er schlecht. Gestern ging die Sache gut, man sah aber doch deutlich, dass Aubameyang (derzeit) kein überzeugender Elfmeterschütze ist.

Die letzte Viertelstunde stand im Zeichen des Weltklimas. Das Sturmtief über Europa kam über das Emirates, selbst die Fernsehbilder waren extrem.

Man soll bei Vergleichen immer auf Angemessenheit achten, aber ich kann trotzdem nicht anders: ich wünschte mir, die Mannschaft von Hertha hätte sich dieses Spiel gestern mit Pal Dardai angeschaut. Das war ein Fußball, den man in Berlin nicht von heute auf morgen spielen wird können, das geben die Umstände nicht her, auch die Bundesliga insgesamt nicht. Aber als ein Exempel in Sachen Einstellung war das gestern eine ganz große Lektion, auf beiden Seiten übrigens, denn Solskjaer hat bei ManU ja auch zuerst einmal die Köpfe befreit (von dem düsteren Schamanen Mourinho).

Heute ist ein schöner Tag, um Arsenal-Fan zu sein. Natürlich auch ein schöner Tag, um Hertha-Fan zu sein: morgen spielt die U19 gegen Barcelona. Ich weiß jetzt wieder, was Fußball sein kann. Davon werde ich auch für Hertha träumen.

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