von Marxelinho

Die Deutung der Andeutung

Same old, same old Arsenal. So lästern die Fans in England gern, die nicht Anhänger der Gunners aus Nord-London sind. Das selbe alte Arsenal verlor gestern 0:2 gegen Manchester City, es war alles neu, und es war alles beim Alten. Die Niederlage war verdient, sie wurde von Unai Emery verantwortet, und nicht mehr von Arsène Wenger.

Natürlich ist City der denkbar härteste Auftaktgegner. Auch ohne De Bruyne und David Silva war das schon wieder ein Ballbesitzfußball der exquisitesten Art. Ich musste nebenbei auch an Pal Dardai denken, der in einem Kicker-Interview vergangene Woche den pragmatischen Stil, mit dem Frankreich Weltmeister wurde, als Bezugspunkt nannte. Wir kommen noch darauf zurück, aber zu einer Orientierungsmarke sollten die vergleichsweise dürftigen Spiele beim Nationenturnier nicht werden. Das wäre zu populistisch. Auf Clubebene zeigt sich jedenfalls ein ganz anderer Fußball, und Manchester City unter Guardiola ist da inzwischen eine Instanz.

Emery überraschte mit zwei Personalien. Im Tor entschied er sich für Cech, und im defensiven Mittelfeld für den jungen Guendouzi neben Xhaka und - das war dann auch schon die Schlüsselpersonalie in Halbzeit eins - neben Mesut Özil. Man kann es auch ganz offen aussprechen: Emery hat das Spiel mit diesem 4-3-3 zuerst einmal vercoacht. Er hatte anscheinend die Idee, dass Aaron Ramsey ganz vorn das Anlaufen führen sollte, dadurch musste aber Özil de facto auf eine defensive Position rücken, hatte es mehrfach mit Mendy zu tun, oder kam gar nicht richtig ins defensive wie ins offensive Spiel.

Bellerin war rechts hinten auch in der zweiten Halbzeit noch mehrfach grob exponiert, dabei hatte sich Guendouzi da schon halbwegs erfangen. Er war für mich der Mann des Spiels, seine defensiven Fehler waren gewichtig, er ließ aber erkennen, dass er ein herausragender Integrationsspieler werden könnte - er braucht dazu allerdings einen wacheren Nebenmann als den gestern schwachen Xhaka, und er braucht Özil in einer anderen Position.

Irgendwie hatte Emerys Formation gestern noch einen Wackelkontakt: Arsenal kam nur ganz selten ins Gegenpressing, also zum hohen Anlaufen. Die Formation wirkte nicht so richtig auf den Kreisläuferfußball von City bezogen: erst später, als Özil zentraler spielte, und Aubameyang mehr über links kam, wurde die Sache ein bisschen besser.

Leider zeigte sich auch, dass Arsenal für die Defensive rätselhaft eingekauft hat: Sokratis mag ein Mentalitätsspieler sein, aber zum Herausspielen gegen eine ihrerseits stark anlaufende City trägt er wenig bei. Gestern wäre eigentlich eine Gelegenheit für ein 3-5-3 gewesen, aber dafür hat Arsenal derzeit keinen einzigen wirklich geeigneten Spieler (Mavropanos kenne ich noch nicht). Maitland-Niles schied früh verletzt aus, damit ist links hinten erst einmal Großbaustelle. Xhaka ist als Mann vor der Zentrale bereits angezählt. Torreira machte nach der Einwechslung ein paar gute Sachen.

Arsenal war im Detail nicht vollständig, insgesamt aber konzeptionell doch eindeutig chancenlos. Die Zeiten, in denen man gegen Manchester City noch auf Augenhöhe spielen konnte, in denen es also darum ging, mehr den Ball zu haben und selbst so viel wie möglich das Spiel zu gestalten, sind vorerst vorbei. Mit Guendouzi deutet sich allerdings an, dass da durchaus Möglichkeiten bestehen.

Nach diesem ersten Spiel kommt mir vor, dass Arsenal in diesem Jahr zu einer interessanten Fallstudie werden kann, denn die Scheinalternative zwischen einer Ballbesitzmannschaft und einer Umschaltmannschaft ist hier noch erkennbar - und bedarf einer Lösung je nach Gegner. Ich denke, man kann diesbezüglich fast eine Regel formulieren: Mannschaften sind umso besser, je klarer es ihnen gelingt, sich von dieser Alternative zu lösen, und beide Modelle ständig zu variieren. Emery sagt das auch, gestern ließ er aber noch nicht erkennen, wie er das zusammenfügen will. Vor allem aber ließ Man City Arsenal keine Gelegenheit dazu.

Ich denke bei all dem natürlich immer auch an Hertha, den Fixpunkt bei meinen Fußballbeobachtungen. Pal Dardais Interview im Kicker stimmt mich ein bisschen besorgt - es klang für mich ein bisschen so, als könnte er aus falschen Schlüssen schon wieder einen Vorrat an Ausreden anlegen. Dabei hat die Saison noch gar nicht begonnen. In England hat sie begonnen, und für Arsenal tatsächlich mit der Erkenntnis, dass sich eine Menge ändern muss. Im August schreibt sich so etwas zum Glück lockerer als im Februar oder März.

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