von Marxelinho

König Pyramidas

Seltsam, wie sich manchmal die Dinge ergeben. Gestern Nachmittag las ich in einem Artikel des Kicker über die Transfersache Valentino Lazaro zum ersten Mal ausdrücklich, dass Hertha BSC nach dem Rückkauf der Anteile von KKR Schulden im dreistelligen Bereich hat - und dass die Lizenz für die kommende Saison mit Auflagen verbunden ist.

Wenige Stunden später dann der Paukenschlag: Hertha BSC hat einen neuen Investor. Es handelt sich um "die global agierende Investment Firma Tennor Holding BV, deren Aufsichtsrat der deutsche Unternehmer Lars Windhorst innehat". Für 37,5 Prozent Beteiligung an der KGaA fließen Hertha 125 Millionen zu. Eine Aufstockung auf 49,9 Prozent zu einem dann höheren Preis steht im Raum.

Damit ist Hertha wohl alle Sorgen los. Allerdings kommen einige neue hinzu. Denn das Geld, mit dem der Hauptstadtclub das Erreichen neuer sportlicher Ziele ermöglichen will, ist keineswegs eine neutrale Größe. Hertha schmeißt sich mit diesem Move direkt an den globalen Finanzkapitalismus ran. Windhorst ist kein Scheich, aber er ist der Dealer der Scheichs. Er verschafft ihnen die eine Droge, die den größten Kick gibt: Rendite.

Vor wenigen Tagen erst hat Tennor BV eine Anleihe über 1,5 Milliarden Euro aufgelegt, verzinst mit 5,75 Prozent bis 2024. Das ist angesichts des derzeitigen Zinsniveaus eine spektakuläre Rate. Tennor (eingetragen in den steuerschonenden Niederlanden, Firmensitze in London und Berlin) sammelt dieses Geld ein, und muss es in fünf Jahren mit entsprechenden Aufschlägen zurückzahlen. Dazwischen muss es die Differenz erwirtschaften.

Hertha ist nun ein Posten in diesem Spiel. Woher hat Tennor das Geld? Seriöse Investoren werden hier eher auf Abstand bleiben - dazu ist das Geschäftsfeld zu unklar. So weit man den Medien entnehmen kann, ist Windhorst weltweit tätig, hält auch nicht unbedingt Abstand zu Steuerparadiesen, und kümmert sich nicht im Geringsten um politische Belange, Menschenrechte, ökologische Aspekte. Ein "ethischer" Investor ist er mit Sicherheit nicht. Ich würde es zugespitzt so zusammenfassen: Windhorst macht sich für die Reichen dieser Welt erbötig, sie noch reicher zu machen, indem er für sie nach Ertragsmöglichkeiten sucht, und schneidet dabei bestens mit.

Kurz gesagt: Windhorst verkörpert nahezu perfekt den gegenwärtigen, globalen Kapitalismus, einen Kapitalismus, der spätestens in den 1970er Jahren begann, die produzierende Wirtschaft immer stärker unter Druck zu setzen. Denn Geld will immer mehr Geld, und irgendwo muss das ja erarbeitet werden. Windhorst ist eines der Gesichter dieser Schieflage: das Kapital übt immer stärkeren Druck auf die Arbeit und auf die Realwirtschaft aus. Man spricht von Finanzialisierung. Das ist ein technisches Wort für den Umstand, dass der Kapitalismus in dieser Form per definitionem ein Pyramidenspiel ist, das hinten hinaus immer einen Dummen braucht. Windhorst ist der König Pyramidas dieser Welt.

Zu Beginn dieses Jahres hatte ich einmal die Gelegenheit, mit Michael Preetz ein paar Worte zu wechseln. Ich habe ihm damals die Investorenfrage gestellt: Würde Hertha bei der Suche auch Kriterien berücksichtigen, die ich im weitesten Sinn unter dem Stichwort "Global Financial Integrity" zusammenfassen würde? Er gab natürlich eine politische Antwort: "Es wird ein Investor sein, der zu Hertha passt."

Der neue Sachverhalt mit Hertha BSC, Tennor BV und Lars Windhorst wird uns im Detail noch ausführlich beschäftigen. Mein erster Eindruck ist aber doch eindeutig: Wenn dieses Investment zu Hertha passt, dann passe ich nicht mehr zu Hertha.

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