von Marxelinho

Obergrenze Mittelmaß

Drei Wochen Denkpause liegen hinter mir. Heute steige ich wieder ein. Die Saison ist noch spannend genug: fünf Spiele, zwei in der Bundesliga, eine Runde Premier League morgen, und dann zwei europäische Finals, mit vier Mannschaften aus der besten Liga der Welt. Wenn die Premier League die beste Liga der Welt ist, heißt das zwar auch, dass das nicht unbedingt die beste aller möglichen Welten ist, aber auf jeden Fall die irdischste.

Hertha spielt heute in Augsburg. Die letzten drei Spiele (Hannover, Frankfurt, Stuttgart: fünf eher zustandegekommene als erspielte Punkte) habe ich alle gesehen, es gab aber nichts dazu zu sagen. Und ganz bin ich die Irritation noch nicht los, die die aktuelle Saison gebracht hat. Ein vielversprechender Beginn, aus dem keine Inspiration wurde, sondern eine Last. Hertha hat sich unter Führung von Pal Dardai auf Obergrenze Mittelmaß zurückgezogen. Immerhin hat die Clubführung eingesehen, dass das keine gute Devise ist für die Zukunft. Nun warten wir auf die nächste Weichenstellung.

Einstweilen bleiben, nachdem das Saisonziel selbst in seiner niedrigsten Variante verfehlt wurde, Teil- und Nebenziele. Ich habe gelegentlich formuliert, dass für Hertha auch immer ein Saisonziel sein sollte, vor Augsburg abzuschließen. Das ist dieses Jahr schon vor dem heutigen Spiel gewährleistet. Warum aber ist das überhaupt wichtig?

Die Liga zeigt uns dieses Jahr, dass sie weiterhin eng ist, insgesamt aber ziemlich sauber in der Mitte geteilt. Es gibt eine relativ homogene Hälfte, in der im Grunde alle um Europa spielen, und eine zweite Hälfte, in der die zweistelligen Plätze und der Abstieg ausgespielt werden. Herthas Saisonziel war also klug gewählt: man wollte zeigen, dass man zu der ersten Hälfte gehört. Nun bleibt nur die Spitzenposition in der anderen Hälfte.

In diesem Jahr entspricht die Tabelle, sieht man der Anomalie Schalke und vom VfB Stuttgart ab, auch ziemlich genau den Standortfaktoren. Oben stehen die Traditionsclubs, die Geldclubs und die Werksclubs. Weiter unten stehen die Kleinen, die Föderalismuskomponenten der Bundesliga, die - anders als die Premier League in London - keinen Wasserkopf hat. Wo aber steht Hertha? Wieder einmal auf der falschen Seite, bei den Kleinen.

Augsburg hat sich in den letzten Jahren wacker geschlagen, und Hertha konnte selten einen Unterschied markieren. Heute wäre eine Gelegenheit, zumindest einen anzudeuten. Es wäre ein Unterschied, der eben anerkennt, dass Hertha sich mit der Obergrenze Mittelmaß strategisch unter Wert schlägt. Auch mit Untergrenze Mittelmaß könnte Hertha auf Platz 10 landen, aber es wäre dann eine Platzierung, die man nicht halb ironisch, halb resignierend akzeptieren müsste, sondern es wäre dann eben eine Konzession an eine flache Hierarchie in der Liga. Der Fußball verzeiht vieles. Anonymität aber ist unverzeihlich.

Also wäre es schön, wenn Hertha sich heute und nächsten Samstag noch zweimal zeigen würde. Es kann, unter den gegebenen Bedingungen, nur noch eine Andeutung sein. Die Konkretion (der Ambition) muss demnächst von Michael Preetz kommen: eine hausinterne Trainerlösung kann im Grunde nur bedeuten, wieder beim Saisonziel Klassenerhalt anzufangen. Also von fast ganz vorn. Vom Gefühl her ist das auch tatsächlich die Situation, in der Hertha derzeit steht.

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