von Marxelinho

Teilidioten

Schon vor dem heutigen Heimspiel gegen Hoffenheim steht fest, dass Hertha nicht auf einem Abstiegsplatz überwintern wird. Bei genauerem Blick hat die Situation sogar großen konstellativen Charme. Denn bei einem Sieg hätte Hertha 21 Punkte, und das ließe sich zweifach lesen: als Anschlusstreffer auf das kleine Mittelfeld, zu dem just auch Hoffenheim zählt. Oder als kleine Absicherung gegen dem extrem dichten Pulk, der auf Platz 10 (oder 11, je nach Sichtweise und je nachdem, was Hertha heute im Olympiastadion zusammen bringt) beginnt, und heute Abend vielleicht beim BVB auf Platz 18 endet. Hertha stünde mit 21 Punkten genau in der Mitte.

Das wäre dann zum Abschluss doch noch ein bisschen Klärung. Denn Herthas einzige Konstanz bestand in dieser Hinrunde darin, jeweils das Nötigste zu tun, um über dem Strich zu bleiben. Damit ist bisher das Saisonziel verfehlt worden, das ja nicht in einer bestimmten Tabellenposition bestand, sondern in einem allgemeineren Sachverhalt: Konsolidierung in der ersten Liga. Stattdessen gab es monatelanges Experimentieren mit einem Kader, von dem zunehmend deutlich wurde, dass bei seiner Zusammenstellung verschiedene Ideen durcheinander gelaufen sein müssen.

In vergleichbarer Weise lief dann auch oft die Mannschaft durcheinander, wobei es zu überraschenden Effekten kam: der im August noch eindeutig ungeliebte Änis Ben-Hatira ist im Moment eine Zugkraft, der Königstransfer Valentin Stocker ist ein (häufig auf der falschen Position eingesetzter) Mitläufer. Der Weltstar Kalou wurde wegen schwacher Mitarbeit abgestraft, durfte danach aber nie mehr zeigen, ob er die Mahnung beherzigt hat. John Heitinga ist außen vor, ihm wird sogar Hegeler vorgezogen, den viele plötzlich für einen guten Innenverteidiger halten, während mir scheint, dass er ziemlich die gleichen Fehler macht, die Heitinga den Stammplatz kosteten.

All das bringt mit sich, dass der größte Wunsch eines normalen Fußballfans unerfüllt bleibt: der Wunsch nach ein wenig Kontinuität, nach einem Gefühl, die Mannschaft zu kennen, dem Trainer vertrauen zu können, nicht jedes Spiel wieder wie eine Stunde Null sehen zu müssen.

Gegen Hoffenheim fehlen mit Skjelbred und Beerens zwei wichtige Figuren dieser Hinrunde. Haraguchi hat sich für meine Begriffe nicht für einen Platz in der ersten Elf empfohlen, ich rechne mit Stocker auf links, Ronny zentral, und Änis-Ben Hatira über rechts. Kalou sollte vielleicht einmal eine Chance auf dem Flügel bekommen, er war schließlich bei Chelsea kaum einmal Zentralstürmer. Ich wäre dafür, dass Lustenberger in die Innenverteidigung zurückkehrt, neben Brooks.

Die Sache mit der Kontinuität ist aber natürlich vollkommen relativ angesichts dessen, was mit dem BVB in dieser Halbsaison passiert ist. Das Spiel in Bremen hat gezeigt, dass Hertha auf den Heimsieg von voriger Woche zwar stolz sein darf, aber sich nicht zu viel darauf einbilden sollte. Die Mannschaft von Jürgen Klopp ist unglaublich unproduktiv im Moment, und steht eigentlich zu Recht da unten. Nicht, weil sie so schlecht wäre, sondern weil sie zu ihrem eigenen Selbstverständnis in einem so großen Widerspruch steht.

Interessanterweise hat Hertha eine der vergleichbaren Erfahrungen gemacht, in der Saison 2003/2004, als sie nach einem 5. Platz in der Saison davor mit 13 Punkten auf Position 17 in die Winterpause ging. Es kamen dann noch 26 Punkte dazu, und der vergleichsweise welthistorische Umstand, dass die damalige Rettung von Hertha mit einer Versenkung der Löwen aus München einherging, aus der diese seither nicht mehr aufgetaucht sind. Hier der berühmte Elfmeter von Kioyo:

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Bekanntlich spielte Hertha schon zwei Jahre später wieder um die "Champions League". Das könnte auch Jürgen Klopp beruhigen, der allerdings Schwierigkeiten haben wird, seine "Vollidioten" zusammenzuhalten. Bei Hertha geht es heute auch wieder darum, zwei der drei Extreme dieser Hinrunde zu versöhnen: Effizienz und Kompaktheit. Das dritte Extrem war Langeweile, zu der die Mannschaft leider auch immer wieder imstande ist. Eine kleine Tendenz ist aber doch erkennbar gewesen nach dem schwachen Auftritt gegen Gladbach: ich bin vorsichtig optimistisch, rechne aber natürlich mit dem Schlimmsten.

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