von Marxelinho

Überzählige Überzahl

Gestern hat sich der Fußballgott mit Pal Dardai einen kleinen Spaß erlaubt. Hertha spielte auswärts in Freiburg, der Coach wollte einen Sieg, allerdings keinen erspielten, sondern einen mit Hilfe einer Standardsituation. Hertha verlor nach einem Gegentor nach Eckball mit 1:2.

Schon die Prämisse wirft natürlich Rätsel auf. Warum traut Dardai seiner Mannschaft nicht zu, dass sie spielerisch zum Erfolg kommt? Und warum stellt er eine Mannschaft auf, die tatsächlich nicht nur Schwierigkeiten hatte, ins Spiel zu kommen, sondern die wieder einmal eine Halbzeit lang vor allem um Spielvermeidung bemüht war?

Das Spiel gab gestern eine Menge her, ein Sieg wäre absolut drin gewesen, umso frustrierender ist das Resultat. Aber für Hertha-Fans ist das inzwischen Routine. Dabei scheint sich da gerade eine Neurose zu verfestigen. Hertha nimmt das eigene Spiel nicht an.

Taktisch sah die Sache so aus, dass Pal Dardai den Einschläferungsbemühungen in Halbzeit eins in jeder Hinsicht entgegenkam: Lustenberger statt Maier im defensiven Mittelfeld, dazu Dreierkette weiter hinten, Mittelstädt und Klünter einsam an den Seitenlinien, vorne die Oldies Ibisevic und Kalou im Doppelpack. In dieser Konstellation ist es ein Leichtes, Verantwortung abzuschieben, denn in Überzahl war da immer nur Rekik zwischen Torunarigha und Stark.

Der Gegentreffer in der ersten Halbzeit war eine Koprouktion von Mittelstädt und Torunarigha (und von Grifo und Petersen). In der Pause begann Dardai mit den Korrekturen. Maier kam für Lustenberger. Und nach einer weiteren Viertelstunde kam Jastrzembski für Mittelstädt. Der junge Mann aus der Akademie konnte nicht maßgeblich eingreifen, aber er schuf Räume, in die Torunarigha gehen konnte. Hertha hatte endlich Breite im Spiel - es war nachgerade logisch, dass der Ausgleich nach einer Hereingabe von der Seite auf Ibisevic fiel, und nach einer Kombination, die einen Mann hinter die Freiburger Linie brachte.

Kurz darauf ging Freiburg aber wieder in Führung, und diesen Umstand sehe ich als eine Intervention des Fußballgotts. Jedenfalls ist das klassische Logik und Pädagogik: dass einem die eigene Intention in einer Umkehrung vorgeführt wird. Die Standardsituation, von der Pal Dardai den Sieg erhoffte, flog ihm um die Ohren.

Hertha sollte in Freiburg nicht irgendwie gewinnen wollen. Die Mannschaft hat die Mittel und die Qualität, dort zu dominieren und einen sicheren Sieg zuwegezubringen. Ob sie die Fitness für 90 Minuten Initiative hat, ist unklar, weil sie noch nie auch nur annähernd an eine Grenze gegangen ist.

Pal Dardai ließ die Sache hinterher so aussehen, als wäre ihm selbst unklar, warum Hertha häufig so schwer ins Spiel findet - er macht im Grunde aber selbst genau das, was die Mannschaft auch tut: immer dann, wenn er mit Erwartungen konfrontiert wird, entzieht er sich. Das Spiel gegen Freiburg war eine der wichtigsten Standortbestimmungen für Hertha in dieser Saison. Jetzt wissen wir tatsächlich mehr. Pal Dardai und Hertha BSC, das ist ein Missverständnis. Ich bin nicht für einen Trainerwechsel. Ich bin für Aufklärung des Missverständnisses.

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 3 und 8.