von Marxelinho

Umschalten und Walten

Als Fußballfan habe ich ein Elefantengedächtnis, dem ich gelegentlich mit Datenbanken aushelfe. So war es auch gestern während des Heimspiels von Hertha gegen Schalke. Als Huntelaar nach gut zwanzig Minuten einen Kopfball auf das Tor brachte, den Jarstein entschärfte, da sagte mein Elefantengedächtnis: Hoppla, da war doch mal was! Die Sache war schnell gelöst: Vor eineinhalb Jahren spielte Hertha auswärts auf Schalke, hielt sich eigentlich ganz wacker, doch in der 20. Minute traf Huntelaar nach Vorarbeit von Draxler, und damit war die Sache gelaufen. Hertha fuhr mit 0:2 nach Hause, am Ende der Saison war Jos Luhukay nicht mehr Trainer, und zwei Relegationsspiele konnten nur um Haaresbreite vermieden werden.

Dieses Mal waren die Voraussetzungen in vielerlei Hinsicht andere, aber der Spitzaufknopfmoment kam fast genau zur gleichen Zeit wie damals. Hertha hielt stand, erzielte noch in der ersten Halbzeit einen Treffer, und besiegelte die Sache in der zweiten nachdrücklich. Das bedeutet: Platz 3, einen direkten Konkurrenten um Europa geschlagen, in der Rückrunde gegen Topclubs unbesiegt (nichts für ungut, Hamburger Sportverein). Ein Sieg von einiger Bedeutung, denn er kam im besten Moment. Und er beruht auf Lernprozessen bei den Betreuern.

Pal Dardai hatte etwas riskiert mit der Aufstellung. Es war ein dosiertes Risiko, aber die naheliegenden Umstellungen nahm er vor. Dass Mitchell Weiser mehr Wirkung hat, wenn er von weiter hinten kommt, ist evident, Pekarik musste deswegen wieder auf die Bank. Die Personalie des Abends war aber natürlich Tolga Cigerci. Er vertrat den Kapitän, und er tat es auf eine Weise, die es schwer machen wird, ihn wieder in die Reserve zurück zu beordern.

Ein Spielzug in der 26. Minute deutete das Potential an, das Cigerci für die Mannschaft haben kann: eine vertikale Ballstaffette leitete er mit einem Pass auf Kalou ein, der gab weiter zu Haraguchi, die Sache führte zu einem Freistoß, den Cigerci dann selbst verschoss. Seine Leistung war in der ersten Halbzeit durchaus unausgeglichen, es erwies sich auch als bedeutsam, dass die Standards nach der Pause wieder von Darida ausgeführt worden, denn bei ruhenden Bällen erwies Cigerci sich als wirkungslos.

Aber je länger das Spiel dauerte, desto imponierender wurde sein Zugriff, seine offensive Dynamik, auch seine Abschlüsse aus der Distanz sind vielversprechend. Hertha hat damit eine kaum zu überschätzende Veränderung an der Statik des Team vorgenommen, nun wird es darauf ankommen, mit den unterschiedlichen Optionen weiterzumachen.

Der Sieg gegen Schalke, den Ibisevic mit einem Ballgewinn kurz vor der Pause auf den Weg brachte, und den Stark durch einen Kopfballtreffer nach Ecke von Darida beeindruckend klar machte, war eindeutig verdient, in der Höhe fiel er noch zu gering aus, dabei war die Leistung aber keineswegs so unumstritten, wie es die zweite Halbzeit vermuten lässt. Hertha ließ einiges zu, vor allem aber wurden schließlich beste Chancen vergeben, und zwar aus einem Grund, der eigentlich gar nicht zu diesem Team passt: Eigensinn.

Pal Dardai war im spontanen Interview nach dem Spiel (ich war aus Graz via Rechner zugeschaltet, hatte ein tolles Bild und war wegen der technischen Distanz fast aufgeregter als bei einem Live-Spiel) auch voll des Lobs für den neuen Rasen. Seltsam, im TV-Bild wirkte er holprig, und man konnte meinen, es wäre ein Grün gewählt worden, das das Spiel eher langsamer macht. In der ersten Halbzeit kamen Impulse für das Spiel von Hertha fast ausschließlich von den beiden Verlässlichsten in dieser Hinsicht: Kalou und Weiser. Cigerci musste sein Rolle erst finden. In der zweiten Halbzeit war er dann in seinem Element. Es war das Element einer Mannschaft, in die er gehört, auch wenn das schmerzvolle Entscheidungen mit sich bringt.

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