Abschiedsgeschenke


Im Ergebnis ein wenig zu hoch, das war unser Fazit nach dem letzten Saisonspiel, einem 0:4 gegen Borussia Dortmund vor 76187 Besuchern im Olympiastadion. Da wussten wir noch nicht, dass gegen drei der vier Tore berechtige Einwände vorlagen, nur das zweite hätte zählen dürfen. Es hatte aber niemand wirklich Lust, sich zu echauffieren. Zu deutlich war das ein Match unter Vorbehalt gewesen, eine Exhibition unter Wettkampfbedingungen, die aber merkwürdigerweise eine Reihe von Auswechslungen wegen Verletzungen mit sich brachte.

Der Coach hatte zwei markante Entscheidungen bei der Aufstellung vorgenommen. Dass Ramos auf der Bank saß, hatte mit dem sentimentalen Thema des Tages zu tun. Alles lief auf die eine Auswechslung hinaus, bei der Kobiashvili das Feld verlassen würde, und Ramos für seine letzten Minuten als Herthaner ins Spiel kommen sollte. Die andere Entscheidung war ein Statement: Van den Bergh auf der Bank, Pekarik auf links, Ndjeng auf rechts defensiv. Luhukay musste das allerdings bald revidieren, weil Skjelbred ausgetauscht werden musste. Van den Bergh bildete dann noch eine gute Stunde mit Schulz die linke Formation, Pekarik mit Ndjeng die rechte.

Gut vierzig Minuten lang ging es munter hin und her. Hertha hielt gut mit, blieb aber in den interessanten Momenten ohne Durchschlagskraft. Hani Mukhtar, der durchspielen durfte, ließ mehrfach erkennen, dass er die luxuriöseren Arbeitsbedingungen im Jugendfußball, wo mehr Zeit für Handlungen ist, noch nicht ganz vergessen hat. Er deutete aber auch an, dass es eventuell klüger wäre, ihn beim Team zu behalten, ihn nicht auszuleihen, sondern ihn einfach öfter spielen zu lassen.

Der Rückstand vor der Pause hatte damit zu tun, dass Mats Hummels defensiv unterbeschäftigt war, und Hertha nicht wirklich gründlich presste. Hummels stellte also auf Gelegenheitsspielmacher um und brachte Lewandowski mit einem schönen Pass für das 1:0 in Position. Der Pole sicherte sich damit die Kanone, war aber im Abseits gewesen. Gleich darauf kam Jojic über rechts, Brooks suchte naiv einen Zweikampf, dem Jojic mit einer Finte auswich, van den Bergh kam nicht mehr dran, ein schöner Treffer.

Spät in der zweiten Halbzeit gab es noch zwei Tore, ein Freistoß von Lewandowski, dem kein Foul von Hosogaj vorausgegangen war. Der Japaner ersetzte zu diesem Zeitpunkt schon Langkamp in der Innenverteidigung. Und ein Abstauber von Mkhitaryan, dem ein Foul von Jojic an Kraft vorangegangen war. Kraft war sauer, den meisten aber war es eher egal. Es ging um anderes an diesem Tag, zudem fehlten Hertha absolute Schlüsselkräfte: Lustenberger, Cigerci, Baumjohann und eine Stunde Ramos.

Gibt es Positives aus diesem Match mitzunehmen? Zuerst einmal einfach ein Gefühl. Es ist herrlich, an so einem Tag zu einem Erstligaspiel zu pilgern, noch schöner wäre es natürlich, wenn Hertha auch wirklich konkurrenzfähig wäre. Doch bei allen Mängeln kann ich den Grundeindruck aus dem ersten Spiel der Saison doch bekräftigen: Hertha hat Kontakt zum modernen Fußball. Ich bin gespannt auf die Arbeit der Verfeinerung, aber auch der Entfesselung, die in wenigen Wochen beginnt. Der bereits verpflichtete Jens Hegeler ist auf jeden Fall schon einmal der bessere Ndjeng, und vielleicht wird er ja sogar noch mehr.

Mukhtar empfahl sich für meine Begriffe, und auch Nico Schulz sehe ich weiterhin als einen Jungen mit Potential. Van den Bergh nahm die Zurücksetzung einmal mehr nicht krumm, sondern spielte danach eine wackere Stunde.

Levan Kobiashvili bekam den würdigen Abschied, den er sich verdient hat. Er wird am besten begreifen, dass Fans nun einmal in erster Linie nach vorne schauen. Deswegen gehen solche Momente eben doch schnell vorbei. Wie auch das leicht schale Gefühl nach dem Spiel, das durch die Schlusstabelle ein wenig verstärkt wurde: Ausgerechnet Hannover zog noch vorbei, nicht zuletzt aufgrund der drei Punkte aus dem Spiel in Berlin. Sechs Gegentore trennen Hertha in der Rückrundentabelle vom Relegationsplatz, vier davon können wir den Referees anlasten (Langkamp gegen S04!), ernst nehmen muss man diesen 17. Platz aber auf jeden Fall.

Ich bin sicher, das wird auch so sein. Die Mannschaft bedankte sich nach dem Spiel bei den Fans für die Unterstützung. Die Fans haben zu danken für die insgesamt doch gute Arbeit. Um es mit Worten zu sagen, mit denen Levan Kobiashvili sich verabschiedete: Hahohe.


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