Diese Woche wurde bekannt, dass gegen Firmen von Lars Windhorst wegen einer Strafanzeige ermittelt wird. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sah offensichtlich ausreichende Gründe für eine Untersuchung, die nun von der Generalstaatsanwaltschaft in Berlin betrieben wird. Es geht um einen Kredit, den die Firma Tennor von der Luxemburger Gesellschaft Evergreen Funding bekommen haben soll - beide gehören Windhorst.
Ich nehme diese Nachrichten zum Anlass für ein paar Beobachtungen zu der Medienpräsenz von Windhorst. Mich interessiert, wie man sich als Laie ein Bild von seinen Geschäften machen kann. Gibt es irgendwo jemand, der die verschlungenen Unternehmungen durchschaut? Recherchiert ihm jemand hinterher, oder werden allenfalls ab und zu Bruchstücke öffentlich?
Noch vor der Neuigkeit über die Strafanzeige erschien am 2. Juli in der Wirtschaftswoche ein sechsseitiger Bericht über Windhorst mit dem Titel "Sein Endspiel" (ich habe die Ausgabe im ikiosk gekauft, man braucht kein Abo). Darin wird der ehrgeizige Versuch unternommen, sich einen Überblick über die gesamten (!) Aktivitäten von Windhorst zu verschaffen. Das "Wirtschaften am Abgrund" ist laut WiWo das Geschäftsmodell von Windhorst. Das Endspiel besteht darin, dass er endlich reinen Tisch mit der französischen Gesellschaft H2O machen will, die 2,5 Milliarden Euro in seine Geschäfte steckte, und dabei offensichtlich so schlechte Erträge sah, dass nun eine Milliarde abgeschrieben wird und Windhorst nur 1,5 Milliarden aufbringen muss, um Ordnung in die Sache zu bringen. Dies soll mit Hilfe einer neuen Anleihe geschehen, mit der er "all in" geht (WiWo). Er hat da eine Milliarde vernichtet.
Bei einem einfachen Bankkunden würde man sagen: da bezahlt jemand Schulden mit Schulden. In der internationalen Welt der Finanz spricht man in so einem Fall von Restrukturierungen. Der Bericht in der WiWo hatte nebenbei auch Aspekte einer Reportage, schildert den Kunstmäzen Windhorst, der sich mit dem Bundespräsidenten und dem Kanzlerkandidaten der CDU öffentlich zeigt. Und es geht natürlich auch um das Investment bei Hertha, dessen (vorerst?) vorletzte Rate schließlich Anfang Juli überwiesen wurde. Die kleinen Pünktlichkeitsprobleme würde man normalerweise auch für ein Indiz dafür halten, dass jemand finanziell sehr auf Kante arbeitet. Aber das gehört ja wiederum zum Image von Windhorst: er gilt als "waghalsig".
Die Neuigkeit von den staatsanwaltlichen Ermittlungen brachte dann die Financial Times. Dort wurde im Lauf der Jahre über Windhorsts Firmen immer wieder berichtet und auch ausführlicher recherchiert. Die abenteuerliche Gebarung seiner Firma Sapinda muss man sich aus dem Archiv zusammensuchen (ich habe ein Abo und damit Zugang zu allen Artikeln). Aus Sapinda wurde Tennor, das Geld für Hertha kam von einer Firma Peil Investment, eingetragen in den Niederlanden, einem - für europäische Verhältnisse - "Steuerparadies". Die FT hat ganz andere Ressourcen als deutsche Zeitungen, und ist deswegen die relevante Quelle für journalistische Recherchen zum Thema. Ich hoffe, sie nehmen die aktuellen Ereignisse zum Anlass, weiter nachzuforschen.
Ein Armutszeugnis für den Journalismus in Deutschland hingegen war zum Beispiel der Artikel, den Uwe Ritzer am 7. Juli im Wirtschaftsteil der SZ brachte. Unter dem Titel "Der ewige Seiltänzer" ging es da vor allem um den Twitter-Account von Lars Windhorst, dann wurden ausführlich die alten Geschichten von Kohls Wunderkind nacherzählt, schließlich in einem Absatz die Geschichte aus der WiWo abgeschrieben bzw. zusammengefasst. Am Ende wird kurz die H20-Sache dargestellt. Ein Bericht ohne auch nur eine Zeile, die auf eigener Recherche beruht. Die SZ hat zweifellos ihre Verdienste, wenn es um den investigativen Journalismus geht, mal sehen, ob sie sich in dieser Angelegenheit noch zeigt.
Mein Eindruck ist: Windhorst richtet seine Geschäfte danach aus, dass nationale Medien und nationale Behörden zumeist überfordert sind mit der Verschlungenheit seiner Aktivitäten. Er operiert bewusst in dem Graubereich aus schwacher Regulierung, Standortkonkurrenz, und unterfinanzierter Presse. Hertha BSC könnte es natürlich im Grunde egal sein, ob der Mehrheitseigentümer seriös ist oder nicht. Hauptsache, er schiebt das Geld rüber. Der Geschäftsführer Finanzen, Ingo Schiller, lässt seine Position diesbezüglich mit seinem Twitter-Namen ohnehin deutlich erkennen: die Mafia-Assoziationen von DondeBerlin sollen zwar wohl "ironisch" gelesen werden, warum er auf diese Ironie aber überhaupt Wert legt, ist eher nicht komisch.
Mal sehen also, wie die Sache weitergeht. Wenn das "Endspiel" von Windhorst nicht aufgeht, dann ist Hertha vielleicht irgendwann zu zwei Dritteln Teil einer Konkursmasse. Die Wirtschaftswoche ist zumindest skeptisch: "eindeutige Erfolgsgeschichten sind nur schwer auszumachen in Windhorsts Firmen-Sammelsurium".
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