Chancen, die man nicht hat, kann man nicht verwerten

Die Niederlage gegen Schalke wirkt bei mir nach. Sie ist deswegen so schmerzvoll, weil sie knapp, aber eindeutig war, und weil die Gegentore wie auch die Rote Karte für Haraguchi Geschenke waren. Und weil es ein Spiel war, das der Saison eine Richtung geben sollte. Die Richtung, die derzeit zu erkennen ist, wird niemand akzeptieren wollen. Die Süddeutsche schrieb mit einem schönen Bild von einem Herbstblatt, das sanft nach unten trudelt.

Die beiden Spiele an diesem Wochenende sind nun noch wichtiger geworden. In der Europa League hat Sorja Luhansk mit einem Sieg in Bilbao endgültig für Chaos in einer Gruppe gesorgt, die überhaupt nicht nach Programm läuft. In Lemberg muss Hertha auf Sieg spielen, und zwar wirklich.

Damit ist auch schon das allgemeine Problem benannt: Die Mannschaft verschafft sich offensiv zu wenig Ertrag. Das ist ein Muster, das sich durch die Jahre mit Pal Dardai zieht, und das sich andeutungsweise auch schon verändert, allerdings sind die Andeutungen in dem chancenlosen Spiel gegen Schalke schon wieder kaum auszunehmen.

Nach der Zählung des Kicker liegt Hertha bei der Anzahl der erarbeiteten Torchancen an letzter Stelle in der Liga: 27 bisher, das ist ein Schnitt von knapp über 3 pro Spiel. Ein erschreckender Wert, nebenbei auch weit unterhalb des Werts, den Dardai einmal in einer sehr optimistischen Formel genannt hat: Alle sieben Minuten wollte er damals Chancen, also mehr als ein Dutzend pro Spiel. Worauf ist der schwache Wert zurückzuführen?

Ein Faktor ist sicher die langfristige Disposition der Mannschaft, die sich nur ganz langsam von ihrem Selbstverständnis als hinten herum (und bei Jarstein) nach Sicherheit suchendem Ausbildungsverbund löst. Die berühmte Körpersprache lügt hier nicht. Bei vielen Zuspielen ist die Ablage nach hinten schon eingepreist, und zwar von beiden Beteiligten.

Das Mannschaftszentrum ist mit Skjelbred nach wie vor konservativ besetzt, auch wenn der Norweger ab und zu am gegnerischen Strafraum auftaucht. Darida (nun verletzt) sucht nach Umschaltmomenten, findet sie aber in der hochverdichteten Bundesliga nicht. Die Tedesco-Idee war am Samstag deutlich erkennbar: selten war ein Gegner im Oly kompakter, Hertha hatte vor allem auch taktisch das Nachsehen. Duda gerät notwendigerweise auch deswegen in viel Kleinklein, kann aber Raum schaffen.

Ein zweiter Faktor ist die aktuelle Personallage. Ganz vorne hat Hertha bisher noch null Kontinuität, weil Selke so lang verletzt war, und auch sonst die Rotation noch deutlich über das angeratene Maß hinausgeht, aus unterschiedlichsten Gründen. Gegen Luhansk soll Selke nun endlich einmal von Beginn an spielen, dazu wohl auch Lazaro. Vom neuen Jahrgang konnten sich bisher erst Leckie und Rekik so richtig zeigen, beide insgesamt sehr positiv. Esswein wurde als Zentralstürmer lanciert, bekam aber in Spielen, in denen er auf dieser Position vielleicht wirklich Sinn gemacht hätte (auch gegen S04), keine Chance.

Heute wäre nun eine ideale Gelegenheit, nach vorne zu spielen - und zwar in jeder Hinsicht. Es ist allerdings eine Gelegenheit, die schon unter Druck steht. Vielleicht beginnt die Saison tatsächlich heute noch einmal ein bisschen von vorn. Hahohehoffen wir das Beste!

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Kommentare

Kommentar von Harald Schuster |

Danke für die passende Analyse des Spiels. Ich erlaube mir noch anzumerken: Das Spiel von Hertha wird unter diesem Trainergespann niemals einen anderen Fussball spielen können. Wenn wir Glück haben kann sich die Mannschaft wie gesehen während eines Spieles aufraffen, wehrhaft und spielerisch zu agieren. Aber bestimmt nicht durch die An-oder Absprache von den Trainern. Mir kommt es immer mehr so vor, als ob man dem Team nicht Mut und Courage mitgibt, sondern Sicherheit, Unentschlossenheit und Furcht vor Fehlern vorpredigt. Die Mannschaft weiß schlicht nicht, wie sie zu spielen hat. An die Stelle der unter Dardai geschafften Konsolidierung eines verunsicherten Teams in vergangenen Spielzeiten, ist eine stagnierende und konfuse, teilweise planlos wirkende Phase getreten, die nun schon lange anhält. Ich befürchte anders als Marxelinho, einen weiteren Abwärtstrend für das anstehende Jahr. Das alles allerdings hält mich nicht davon ab weiterhin meine Leidensfähigkeit zu erproben.

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