von Marxelinho

Das Jahr zum Vergessen

Fast auf den Tag genau vor sechs Jahren hat Hertha auch schon einmal ein Saisonfinale in Hoffenheim gespielt und mit 2:1 verloren. Damals ging es noch um alles, die knappe Niederlage reichte für den Klassenerhalt. Ich war zu dem Spiel mitgefahren, und zwei Tage später hielt ich ein "vorsichtiges Ja zu Pal Dardai" in der Trainerfrage für begründet. Er war ja als "Feuerwehrmann" gekommen, es folgte dann eine Saison, in der es phasenweise zu einer regelrechten Euphorie um den ungarischen Super-Berliner kam.

Nun steht die gleiche Frage wieder im Raum: Soll Hertha mit Pal Dardai weitermachen? Vor einer Woche wurde der Klassenerhalt mit Bildern gefeiert, die eher an einen Titel als an eine Platzierung knapp über dem Strich denken ließen. Aber das hatte wohl auch mit den besonderen Umständen dieses Finales zu tun, das Dardai nach der Quarantäne gut moderierte. Letztlich war es aber ein einzelner guter Move von Ngankam gegen Schalke, der Dardai und Hertha vor größerem Stress bewahrte.

Jede Analyse dieser Saison steht unter vielen Vorbehalten. Denn eigentlich hatte Michael Preetz, der im Sommer 2019 den bundesligaweit richtungsweisenden Moment für das seitherige Trainerkarrussel versäumt hatte (indem er sich für Covic entschied, also für eine, wie sich leider erwies, untaugliche Lösung), ja im Sommer 2020 noch einmal eine strategische Lösung im Auge. Corona machte das hinfällig, Labbadia wurde vom Aushelfer zum Verwalter des kräftig aufgerüsteteten Kaders, und kam mit seinen (wenigen) Ideen nicht weit.

Nun steht Hertha vor der Entscheidung, mit dem Sympathieträger Pal Dardai weiterzumachen, oder die neuen Leute Bobic und Dufner auch mit einem neuen Trainer antreten zu lassen. Ich würde in diesem Moment für ein Nein zu Pal Dardai plädieren. Denn was er in diesem Frühling geschafft hat, war eben gerade gut genug für Platz 14, punktegleich mit Arminia Bielefeld.

Zugutehalten muss man ihm, dass er in vielen Spielen genau die richtige Dosis Pragmatismus gefunden hat, um Punkte und Resultate zu erzielen. Hertha hat aber auch viele Spiele, in denen individuell durchaus Klasse erkennbar war, verdient verloren, weil das Mittelfeld eigentlich die ganze Saison hindurch nicht funktioniert hat, und die Spielgestaltung häufig in Richtung einer Kreativität tendierte, der mit knochentrockener Kompaktheit leicht beizukommen war.

Im Endeffekt reichte es, dass ein paar Spieler sich schließlich zumindest ein bisschen dem Leistungsniveau annäherten, das ursprünglich von ihnen erwartet worden war: Ascacibar, Radonjic, Piatek, sogar Plattenhardt lieferte wieder einmal einen Assist aus einem ruhenden Ball.

Die interessanteste Personalie hat leider einen Beigeschmack: Marton Dardai ist eine Entdeckung, Pech ist halt, dass er auf seiner Position mit einem Spieler konkurriert, den ich nach wie vor für einen der spannendsten Herthaner der letzten Jahre halte. Wie es mit Jordan Torunarigha weitergeht, wird mich besonders interessieren, wie auch mit Arne Maier. Seinetwegen habe ich mir in den vergangenen Wochen häufig die Arminia angeschaut. Unter Frank Kramer war er (anders als unter Neuhaus) gesetzt, er ragte nie heraus, aber er war für meine Begriffe ein wichtiger Faktor für die Homogenität des Teams. Ich sehe in ihm nach wie vor einen defensiven Mittelfeldspieler mit strategischem Potential, und bin gespannt, wie Bobic/Dufner ihn sehen.

Ich hatte in diesem Jahr große Schwierigkeiten mit meiner Identifikation mit Hertha. Gerade auch die Ereignisse rund um die Super League haben für meine Begriffe wieder deutlich gemacht, wie verheerend sich der Kapitalismus auf den Fußball auswirkt. Und Hertha gehört nun einmal zu zwei Dritteln einer Black Box dieses Kapitalismus, einer intransparenten Firma, die uns keinerlei Einblick gewährt, woher das Geld tatsächlich kommt, das Windhorst in Berlin investiert. Das verleidet mir die Sache auf eine sehr grundsätzliche Weise. Andererseits sind die Beträge, mit denen Tennor/Peil angetreten sind, im Vergleich auch Erdnüsse, und es bleibt Hertha auch mit Anschub kein anderer Weg, als es mit guter Arbeit zu versuchen.

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