Das Reingemachte und das Eingemachte

Pal Dardai konnte der Mannschaft mal wieder keinen Vorwurf machen. Hertha hatte gerade 1:0 in Stuttgart verloren, hatte das Spiel eigentlich dominiert und war durch ein sehr blödes Tor leer ausgegangen. Man muss da jetzt wirklich nicht mit Vorwürfen kommen, aber vielleicht mit Ansprüchen? Denn es war doch deutlich zu sehen, dass etwas fehlte. Und in einer so engen Liga kommt es auf Gelegenheiten wie diese an: auf Spiele, die da sind "for the taking", die darauf warten, dass man sie sich nimmt. Wenn man sie sich nimmt, beginnt man sich selbst besser zu verstehen. Wenn man sie abgibt, bleibt man schwächer definiert. Zu schwach definiert für Ansprüche.

Hertha fehlte es vor allem an Konzentration. Nominell war das fast die erste Elf, die ich für die Rückrunde erkennen kann. Lustenberger vertrat Rekik, Stark hatte vor Langkamp den Vorzug bekommen. Ansonsten alles nach Plan, das heißt auch: Arne Maier ist Stammspieler. Selke besetzt allein das Sturmzentrum. Kalou, Leckie, Lazaro und mit Einschränkungen Weiser tauschen flexibel die Positionen.

Hertha machte das Spiel, allerdings ohne den allergrößten Nachdruck. Es schien einen Matchplan zu geben, der die Höhepunkte weiter hinten in der Erzählung bringen sollte. Bis auf ein Kopfballduell, das Gomez aus naheliegenden Gründen gegen Weiser deutlich für sich entschied, hatte Hertha den VfB unter Kontrolle. Im letzten Drittel gab es aber viel Leerlauf. Vor allem Kalou und Leckie, aber auch Lazaro, wirkten fahrig, vertändelten Bälle, zu Selke kam das Spiel kaum einmal. Die berühmten Laufwege waren eher eine Sache der Improvisation.

Zweimal tauchte Hertha gut im Strafraum auf, die beste Kombination lief über Arne Maier, der technisch sehenswert beide Füße benützte (hintereinander natürlich, zuerst den rechten, dann den linken), um Kalou einen Kopfball aufzulegen, der über das Tor ging. Vor ein paar Tagen ist Arne Maier 19 geworden, er war für meine Begriffe bester Herthaner am Samstag, man kann nur staunen über die Autorität, die er bereits hat. Wenn man da nicht bald einmal etwas hört über eine Vertragsverlängerung, sehe ich für den Sommer eine Riesenenttäuschung (jedenfalls ein paar dann schon nicht mehr unmoralische Angebote) auf uns zukommen.

Im Fußball gibt es eine große Diskrepanz zwischen Ansätzen und Ergebnissen. Das macht den Sport so spannend, weil es sonst weniger Ergebnisse gegen den Spielverlauf geben würde. Hertha hat also gestern in Ansätzen gewonnen, und zwar zum Teil wirklich interessant: es gab Momente, da schalteten sich in das Dominanzspiel sogar die beiden Innenverteidiger ein, die das Spiel nicht nur zu eröffnen, sondern tatsächlich zu öffnen versuchten, indem sie ihre Linie bei Ballbesitz verließen und vorstießen - da war eine flexible Grundordnung zu erkennen, die neugierig macht. Leider brachte Stark dann aber gefühlt keinen einzigen Pass an einen eigenen Mann.

Um ein solches Spiel zu gewinnen, müsste Hertha letztlich doch ein bisschen mehr riskieren. Ein eleganter, insgesamt aber inkonsequenter Vortrag, der noch dazu durch eigene Zerstreutheiten beeinträchtigt wird, reicht auch gegen einen mäßigen Gegner wie den VfB nicht. Hertha hat zu wenig versucht, Stuttgart zu Fehlern zu zwingen. Hertha hat abwartend dominiert - die ganze Zeit hatte man das Gefühl, dass nicht notwendigerweise etwas Entscheidendes passieren muss. Dann passierte das Entscheidende eben anders, nämlich auf der für uns falschen Seite und auf die allervertrackteste Weise (Abwehr eines drohenden Elfmeters durch ein Eigentor?).

Von Ansprüchen zu Vorwürfen führt ein direkter Weg über Enttäuschungen. Niemand macht der Mannschaft heute einen Vorwurf. Aber sie hat doch gezeigt, dass sie Ansprüche an sich stellt. Sie hat nur versäumt, sie geltend zu machen. Daran wird zu arbeiten sein. Denn da geht es auch an mentale Faktoren, die bisher nicht gerade das Spezialgebiet von Hertha sind. Da geht es an das Eingemachte einer Mannschaft. Hertha hat da einfach insgesamt noch nicht viel eingemacht, und gestern auch keinen reingemacht. Deswegen bleibt sie in diesem Jahr weiterhin insgesamt doch eher unbestimmt.

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