Der angegriffene ehemalige Angreifer

Michael Preetz, Geschäftsführer Sport, hat dem Tagesspiegel, Provinzzeitung aus der Hauptstadt, offensichtlich den Gefallen getan, auf einen langen Artikel, aus dem viel Zweifel an der Qualität der Arbeit von Preetz durchklang, mit der Androhung juristischer Schritte zu antworten, unter dem Vorbehalt, dass der Artikel zu solchen keinen wirklichen Anlass gibt. Das ist in etwa so, als würde man dem bösen Nachbarn, der sich bei einem Grillnachmittag gehässige, über den Zaun hörbare Bemerkungen erlaubt, mit der Polizei drohen, für den Fall, dass er den Hausfrieden tatsächlich stört. Dabei will der Nachbar doch nur vor sich hin quengeln.

Dass Preetz angreifbar ist, daran ist nun einmal nichts zu ändern. Ob man die Geschichte als einen Angriff verstehen will, hängt von der Gewissheit ab, ob es mit der eigenen Arbeit stimmt. Preetz kann diese Gewissheit nicht haben, zu sehr ist Hertha unter seiner Ägide die Selbstverständlichkeit abhanden gekommen, zu sehr strampelt da ein potentiell großer Club in Bereichen, die ein Denken allenfalls von Wochenende zu Wochenende erlauben. Hertha steht nicht gut da, das hat Preetz zu verantworten. Die Frage ist allenfalls, ob es unter einem anderen Manager tatsächlich besser wäre. Diese Frage ist zu hypothetisch, um eine allgemeine Antwort auch nur zu versuchen.

Man kann nur noch einmal einen Blick auf die maßgeblichen Entscheidungen von Michael Preetz werfen, wobei diesen eine relevante vorausging, die ihn selber betraf: der "Putsch" gegen Dieter Hoeneß, der ein Jahr vor Ablauf aus seinem Vertrag entlassen wurde. Es sprach damals alles dafür, der Zeitpunkt war ideal, mit Lucien Favre war ein Perspektivtrainer da, allerdings hatte nicht nur mich das letzte Spiel der abgelaufenen Saison auch schon verstört: "Warum spielen wir nicht mit der besten Mannschaft?" Diese Frage, die nun auch bei Luhukay eine Rolle spielte, wollte schon Favre nicht beantworten, das 0:4 gegen Karlsruhe (ohne Arne Friedrich) kostete Hertha die Teilnahme an der "Champions League".

Nach allem, was man weiß, war Favre im Herbst mit seiner Arbeit überfordert, und hatte auch gesundheitliche Probleme. Hätte es gereicht, ihm ein Monat Pause zu verordnen, ihm Zeit zur Regeneration zu geben? Das ist die große Unbekannte, jedenfalls ist das der große Knick in der Hertha-Geschichte der nuller Jahre. In diesem Moment entschied sich Preetz für eine konservative Lösung: Friedhelm Funkel war seine erste solide Fehlentscheidung.

Alle anderen danach waren im Grunde immer nur Korrekturen dieser einen, Babbel musste Funkel ausbaden, Skibbe dann Babbel, über Rehakles breiten wir einfach den Mantel des Schweigens, und Luhukay war schließlich derjenige, der die Grundlagen für eine neue Selbstverständlichkeit hätte legen können und sollen. Preetz hatte erst mit Luhukay wieder die Gelegenheit, proaktiv etwas zu tun, dass es nicht geklappt hat, liegt an internen Dingen, die wir nicht nachvollziehen können - übrigens auch nicht aufgrund der Andeutungen im Tagesspiegel, die ja nur so tun, als würden sie etwas klären.

Luhukay hatte großen Vertrauensvorschuss, aus guten Gründen, bald wurde aber deutlich, dass er als Personalmanager viele Defizite hatte. Der Tagesspiegel suggeriert nun, dass Preetz hier intervenieren hätte müssen, doch gibt es viele Fälle, in denen dies zu genau dem gleichen Problem führt: Wenn ein Trainer und ein Manager einander öffentlich die Aufstellung streitig machen (und genau das verlangt der Autor im Grunde, denn anders kriegt es ja niemand mit), dann ist erst recht die Krise da.

Ist Preetz zu gutgläubig? Zweifellos erweckt der den Eindruck, dass er alles auf eine harmonisierende Weise lösen möchte. Sein Auftritt im Aktuellen Sportstudio vor einer Weile hat übrigens gezeigt, dass er keineswegs "merkwürdig hohle Sätze" von sich gibt. Er spricht sehr authentisch, aber eben niemals gelöst, weil er aus der Defensive immer nur kurz herauskam. Er muss jeder Situation gegenüber misstrauisch sein inzwischen, ich bin es übrigens als Fan inzwischen auch.

Da es im Fußball keine durchschlagenden Lösungen gibt (selbst der FC Bayern braucht neben Guardiola noch Sammer und Reschke), müssen wir mit Michael Preetz auf jeden Fall noch bis Ende dieser Saison auf Sicht fahren. Ohnehin hat er jetzt eine Karte auf dem Tisch, die wirklich die seine ist: Pál Dárdai, ein Mann aus dem eigenen Haus, der Hertha immerhin in kürzester Zeit die Arbeitsverweigerung unter dem späten Luhukay ausgetrieben hat. Das ist nicht nichts, aber natürlich noch keine Identität. Die Jahre, in denen Michael Preetz bisher die sportlichen Geschicke von Hertha leitete, waren nicht dazu angetan, eine zu entwickeln.

Wenn er sein Amt auch über einen möglichen knappen Klassenerhalt hinaus behalten möchte, muss er spätestens jetzt - und nicht erst im Sommer - anfangen, alles auf den Prüfstein zu stellen: die Nachwuchsarbeit darf sich nicht länger auf alten Mythen ausruhen, medizinische und andere Abteilungen gehören profund evaluiert, und das Scouting muss Vorgaben bekommen, die modernen Anforderungen an ein nicht nur reaktives Spiel genügen.

Im Übrigen glaube ich immer noch, dass Ingo Schiller nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems bei Hertha ist. Der Geschäftsführer Finanzen ist allerdings nach dem KKR-Deal sakrosankt, auch wenn dieser Deal de facto nichts anderes ist als eine Wette, wobei ein Faktor im Spiel ist, der uns bewusst vorenthalten wird: die Exit-Vereinbarung, die es vernünftigerweise geben muss.

Finanziell ist also seit 2009 auch nichts gewonnen worden, auch wenn es im Moment anders aussieht. Hätte es anders kommen können? Natürlich, aber es ist sinnlos, darüber zu spekulieren. Funkel und Rehakles waren zwei Trouble Shooter, die nichts brachten. Dárdai steht in dieser Linie, und zwar hoffentlich, um sie zu brechen. Angesichts dessen, was in der Liga sonst so an Inkompetenz veranstaltet wird, könnte man Michael Preetz auf dieser Grundlage durchaus die Chance geben, mit Hertha weiterzulernen. Er muss aber auch wirklich Lernerfolge sichtbar werden lassen. Ansonsten geht das ewige Durcheinander halt ohne ihn weiter. Oder es findet sich jemand, der tatsächlich gut ist. Ganz unattraktiv kann die Aufgabe bei Hertha BSC ja nicht sein. Auch wenn Medien wie der Tagesspiegel es so wirken lassen.

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