Eine halbe Ewigkeit ist es schon wieder her, da wollte Arsène Wenger sich nach der Länderspielpause erklären. Die Pleiten gegen Chelsea, Liverpool und Bayern waren noch frisch im Gedächtnis, und eigentlich wäre derzeit wenig wichtiger für den FC Arsenal als ein Signal, wie es mit dem Club und dem Manager weitergeht. Es kommt nur nicht. Weder von Wenger noch von Arsenal ist auch nur ein Mucks zu vernehmen, wie es weitergehen soll.
Derweil neigt sich die Saison dem Ende zu, und die Gelegenheiten werden weniger, anlässlich derer sich eine Vertragsverlängerung mit Wenger noch halbwegs verkaufen ließe. Der Heimsieg gegen Leicester war zu dürftig, um daraus irgendwelche Ansprüche ableiten zu können, und schon wenige Tage darauf folgte mit der Niederlage im Derby gegen Tottenham Hotspur die relevante Standortbestimmung. Arsenal war nicht konkurrenzfähig.
Es fällt immer schwerer, das hartnäckige Gerücht zu glauben, dass Wenger in Wahrheit seinen Vertrag schon um zwei Jahren verlängert habe. Es wäre jedenfalls schwer zu vermitteln. Die Mannschaft spielt wie unter Vorbehalt, egal, ob man sie in irgendeiner Form in irgendetwas eingeweiht hat oder - was wahrscheinlicher ist - dass sie auch nichts weiß.
Arsenal stehen nun noch zwei Termine bevor, mit denen Klärungen einher gehen: in drei Wochen endet die Liga, dann steht fest, ob zum ersten Mal unter Wenger die Qualifikation für die Champions League verfehlt wurde. Platz 4 ist noch nicht vollständig abzuschreiben, das hat aber vor allem damit zu tun, dass die beiden Clubs aus Manchester eine schwache Saison spielen. Beide kann man natürlich auch als ein Indiz dafür sehen, dass ein Trainerwechsel eine Menge durcheinander bringen kann.
Ende Mai spielt Arsenal dann im FA Cup-Finale gegen Chelsea. Wenn bis dorthin alles offen bleibt, dann wird das in jeder Hinsicht ein Münzwurfmoment: Wenger könnte einen Sieg sowohl zum Anlass nehmen, die Fortsetzung seiner Arbeit in Angriff zu nehmen, als auch zu einem Abgang in Würde. In jedem Fall wäre das dann schon reichlich spät für eine Weichenstellung für die neue Saison.
Die deutliche Niederlage von Atletico Madrid im Semifinalhinspiel gestern gegen Real Madrid sehe ich dabei in einem Zusammenhang, in den auch Arsenal gehört. Denn für Diego Simeone deutet sich damit doch an, dass sein Vorhaben mit Atleti an einen markanten Punkt gelangt ist: er kann nun entweder einen neuen Zyklus ins Visier nehmen (bei Wenger sagte man immer, und nur bei ihm, glaube ich: eine neue Mannschaft aufbauen). Oder er kann zu einem anderen Club gehen.
Ich sage nicht, dass das Arsenal sein muss. Aber es wird doch ein unüblich interessanter Sommer werden, was die Toppositionen in Europa anlangt. Barcelona ist vakant, beim FC Bayern könnte durchaus etwas passieren, Arsenal sollte etwas Neues versuchen. Die denkbaren Revirements hängen alle miteinander zusammen. Aber nur für Arsenal geht es dabei darum, dass der Club überhaupt das Standing bewahrt, das ihn für Toptrainer zu einer interessanten Adresse macht.
Die finanziellen Bedingungen und die Standortfaktoren (die Liga, die Stadt, das Stadion, die globale Fanbase) sind eigentlich exzellent - auch vor diesem Hintergrund muss man die Stagnation unter Wenger sehen, die inzwischen deutlich ein Niedergang geworden ist. Als er seinerzeit geholt wurde, war er eine Wildcard. Inzwischen ist die Trainerfrage für Topclubs zu einem fast unlösbaren Rätsel geworden. Das sieht man am Beispiel der Bayern, die mit Ancellotti alles richtig gemacht haben, und doch ging die Sache schief.
Aber auch vor diesem Hintergrund kann man nicht übersehen, dass das Modell Wenger bei Arsenal auch über die Person des Managers hinaus unzeitgemäß geworden ist. Ein derartiges Maß an Monopolisierung von Kompetenz (ich verwende das Wort hier strikt im formalen Sinn) ist eigentlich ein Wahnsinn. Allerdings wäre der Fußball viel weniger interessant, wenn er nicht gerade auch auf der Topebene von solchen grotesken Dysfunktionalitäten geprägt wäre, wie sie derzeit eben leider vor allem Arsenal zeigt.
Am Sonntag trifft Arsenal auf Manchester United, und damit auf einen Trainer, der Wenger einmal bescheinigt hat, er wäre ein "Experte im Versagen" ("specialist in failure"). Der Spezialist ist in Wirklichkeit natürlich ein Generalist des Versagens, denn er prägt inzwischen den Niedergang Arsenals auf so vielen Ebenen, dass man ihn de facto gleich mehrfach kündigen müsste. Das macht aber umgekehrt die Aufgabe einer Neuaufstellung von Arsenal so groß, dass am Ende sogar die schlechteste Lösung kommen könnte: mehr vom Selben.
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