von Marxelinho

Der Teufel im Detail

Die Fans in der Ostkurve reagierten am Sonntag eher skeptisch auf die frohen Nachrichten von Freitag. Von einem "Pakt mit dem Teufel" war da die Rede, gemeint war natürlich der Einstieg der Private-Equity-Firma KKR bei Hertha. Und das Heimspiel gegen Nürnberg wurde dann zu einem Beleg dafür, wie schwierig es de facto sein wird, Hertha BSC in der Bundesliga so zu etablieren, dass dies mit einer nachhaltigen Konkurrenz um auch nur die Plätze 5 und 6 einher geht. Mit einem Sieg wäre Hertha (als Aufsteiger) auf den sechsten Platz gerückt, stattdessen konnte sich Nürnberg mit einem 3:1 auf einem Nichtabstiegsplatz verbessern.

Das Spiel hätte auch 2:2 ausgehen können, in einer bemerkenswerten Spiegel-Variante zum Hinspiel, in dem Hertha auswärts bis kurz vor Schluss geführt hatte, bevor Kiyotake noch den Ausgleich erzielt hatte. Doch Norbert Grudzinski, Assistent an der Linie, erwies sich nach einer kontroversen Situation als besonders spitzfindig und veranlasste Referee Weiner, eine rote Karte gegen Petrak zurückzunehmen, sowie einen Elfmeter für Hertha nicht zu geben. Was war passiert? Ramos hatte sich sehenswert auf rechts durchgesetzt, Schäfer kam heraus, der Ball prallte ins zentrale Halbfeld, von wo aus Ronny einen großartigen Lob fabrizierte. Der Ball senkte sich perfekt unter die Latte, Petrak wehrte mit der Hand ab, den Rebound verwertete Ramos. Vorteil, Tor, Ausgleich, Schlusspfiff - das wäre die naheliegende Lösung gewesen.

Doch Ramos war bei Ronnys Ballkontakt im Abseits, berührte dann kurz den zurück eilenden Schäfer, eine ganz leichte Kollision, die Grudzinski als Eingriff in das Spiel wertete. Man kann auch zu genau hinsehen. Ironie für Haarspalter der Spitzfindigkeit: Petrak, der Ramos abseits gestellt hatte, weil es ihn kurz hinter die Torauslinie verschlagen hatte, war zu diesem Zeitpunkt schon wieder im Spiel, Ramos also längst wieder onside, was aber natürlich irrelevant ist.

Ein Remis wäre verdient gewesen, weil Hertha knapp, allerdings nicht entscheidend die bessere Mannschaft war. Der Club stellte beträchtliche Probleme, in den ersten zwanzig Minuten vor allem über die linke Berliner Defensivseite, wo van den Bergh nach einer (zu harten) gelben Karte in der zweiten Minute angezählt war. Und tatsächlich legte er bald darauf Feulner den Ausgleich auf, nachdem Ramos schon nach vier Minuten einen Ronny-Corner verwertet hatte, mit einem schon ziemlich virtuosen Kopfball, der seinen Marktwert weiter steigen lassen sollte.

Hertha machte auch danach das Spiel, fand sich jedoch von Nürnberg, einer bemerkenswert selbstbewusst und technisch gut arbeitenden, kombinationssicheren Mannschaft, immer wieder in die eigene Hälfte gedrängt. Nicht zufällig kam die beste Chance für Ramos zur neuerlichen Führung nach einem Konter, den Ronny und der gute Nico Schulz vorgetragen hatten. Ramos kam von weit hinten, und schoss drüber.

Der zweite Treffer von Nürnberg folgte einem Muster, das wir schon kennen: ein Gestocher im Mittelfeld endet mit einem Ball in den Lauf eines Gegners, und nun hat die gesamte Defensivformation nicht die Reaktionsschnelligkeit, die Situation zu überschauen und differenziert darauf zu reagieren (so fiel auch das - irreguläre - Siegtor von Leverkusen in Berlin, und auch das von Frankfurt letzte Woche entsprach der Konstellation): Ginczeks Vorstoß war gefährlich, es hätte aber nicht sein müssen, dass alle nur auf ihn schauten. So kam Drmic zu einem einfachen Treffer, als der Ball vom Pfosten zurückkam.

Es war insgesamt ein Spiel, bei dem der Teufel im Detail steckte. Viele Zweikämpfe, viele Fouls (24 des FC Nürnberg, 17 von Hertha, also im Grunde alle zweieinhalb Minuten), viel Bewegung zwischen den Strafräumen, wenig Torszenen. Entscheidend war wohl, dass Hertha die offensivere Formation (mit Ronny statt Niemeyer) nicht so produktiv machen konnte, wie es auf dem Taktikzettel aussah. Ronny hatte seine Momente, aber er zerspielte auch manche aussichtsreiche Situation, und seine Freistöße waren dieses Mal sinnlos. Ihm fehlte das richtige Maß, das natürlich vor allem von einer Matchpraxis kommt, die er nicht ausreichend hat.

Wäre alles nicht so schlimm, hätte nicht Norbert Grudzinski kurz vor Schluss die Komplexitäten der Abseitsregeln allzu hart auf den Buchstaben und nicht auf den Sinn hin ausgelegt. Für die Nürnberger ist er nun "mutig", für uns ist er ein Pedant.

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