Nach einer starken Europacup-Woche steht nunmehr der Spiel- und Terminkalender des allgemein interessierten (abhängigen) Fußballfans für den Rest des Halbjahres: Im Finale der Champions League bin ich für Atletico Madrid, schon im Duell gegen Barcelona hatte ich mir eigentlich gewünscht, dass sie es in diesem Jahr schaffen, die bittere Niederlage von 2014 wettzumachen. Atleti ist die einzige Mannschaft in Europa, die in den letzten Jahren in den Kreis der Elite aufgeschlossen hat - das ist das entscheidende Identifikationsmoment, wenn man den Fußball aus der Perspektive von Hertha BSC oder vergleichbarer Clubs verfolgt.
Dass sie dabei vom FC Bayern zu einer Rückkehr zu ihrem Markenkern gezwungen wurden, spricht sehr für das Team von Pep Guardiola. Es war ein großartiges Halbfinale, das aber auf die für mich richtige Seite fiel, aus Gründen, die anderswo hinreichend analysiert wurden. Das Interview mit Antoine Griezman mit Sky hinterher zählt für mich zu den wunderbaren Fußball-Momenten dieses Jahres. Ich hoffe sehr, er spielt eine tolle EM, und trifft eine gute Entscheidung, wenn es Vertragsangebote regnet.
Im DFB-Pokalfinale werde ich für Dortmund sein, einerseits, weil ich seit der Kindheit gegen die Bayern bin (eine der klassischen binären Optionen für Provinzkinder: Überidentifikation mit dem großen Nachbarn oder Überidentifikation mit allen Außenseitern), andererseits, weil dieses großartige Jahr des "greatness"-Projekts von Thomas Tuchel einen Titel verdient. Henrik Mkhtaryan ist für mich der Mann der Saison, übergreifend, ich liebe nur wenige Spieler so sehr wie ihn. Und dass Adrian Ramos doch noch in dieses Projekt gefunden hat, hat mich auch sehr gefreut - nie gab es einen schöneren Spieler bei Hertha (und ich meine das strikt im fußballerotischen Sinn: die Schönheit ist auf dem Platz), wenn er schon weiterziehen muss, dann wenigstens in Richtung Greatness, und nicht in Richtung Fehleinkauf.
Das Finale der Europa League werde ich ohne Präferenz anschauen. In diesem Bewerb hat das große Spiel schon stattgefunden, es endete mit einer Enttäuschung für Dortmund. Im Halbfinale war mir nur wichtig, dass Donezk, der Verein eines der übelsten ukrainischen Oligarchen, entfernt wird. Sevilla gegen Liverpool, da gönne ich mir den seltenen Luxus, meine Sympathien ad hoc zu verteilen.
In der Premier League hat der FC Chelsea durch ein stupendes Tor von Eden Hazard schon Anfang der ablaufenden Woche für klare Verhältnisse gesorgt. Leicester ist Meister, eine Sensation, klar. In Deutschland hat meines Wissens nur die Süddeutsche noch einmal darauf hingewiesen, dass auch ein Schatten auf der Angelegenheit liegt, weil es - wie schon vor Jahren in Spanien - einen unter den Teppich gekehrten Dopingvorwurf gibt. So zwielichtig der Arzt ist, von dem er stammt, so sehr wäre hier Klarheit erwünscht.
Aber das sind eben die Rätsel, die sich durch alle Bereiche der Politik und der Gesellschaft ziehen: Immer wieder gibt es Leaks, dann sind wir aufgeregt, aber dass einmal etwas konsequent zu Ende recherchiert würde, das sehen wir kaum einmal. Warum macht die Sunday Times hier nicht weiter? Die Gründe dürfen wir nicht erfahren. Es kann zwar sein, dass der Belastungszeuge einfach doch zu peinlich ist. Dann hätte die Geschichte aber niemals publiziert werden dürfen. Auffällig ist jedenfalls, dass der Name Mark Bonar seither kaum mehr in den Medien vorkommt. Das sieht eher nach Spin aus als nach Aufklärung.
Für mich als Arsenal-Fan ist sicher der Ausgang des Spiels bei Manchester City noch von Interesse (skandalöser Auftritt der Citizens übrigens gegen Real Madrid im CL-Semifinale). Platz 3 wäre ein kleiner Trostpreis nach einer Saison, wobei die direkte Qualifikation für die Champions League ja auch wieder nur Arsene Wenger dazu dienen wird, sich hinauszureden. Ich zähle zu denen, sie seine Ablöse herbeisehnen, wobei ich mir der Schwierigkeiten durchaus bewusst bin. Es gibt einfach viel zu wenig wirklich gute Trainer.
Womit wir bei Hertha BSC wären. Pal Dardai ist eine der Entdeckungen dieser Bundesliga-Saison. Und nun gibt es noch zwei Spiele, um das zu veredeln, was bisher erreicht wurde. Nicht notwendigerweise durch Erreichen von Platz 4, das hat Hertha auch gar nicht mehr in der Hand. Aber allein die Konstellation, dass Darmstadt nun das Zünglein an der Waage ist, zuerst in Berlin und dann daheim gegen Gladbach, hat schon etwas Unwiderstehliches. Ich bin guten Mutes, dass Hertha in die Spur findet. Zum Finale nach Mainz reise ich wohl sogar mit.
Bleibt noch der Ausblick auf die EM. Sie wird für mich etwas Besonderes, weil Österreich teilnimmt, und zwar mit einer Mannschaft, die man einfach mögen muss, und nicht nur wegen Marko Arnautovic. Darüber hinaus freue ich mich auf Frankreich (Griezmann!), England (trotz Hodgson), die Ukraine (trotz der Oligarchen), und auf Mesut Özil, mit dem ich dieses Jahr absolut meinen Frieden gemacht habe.
Zwei Monate liegen vor uns, die bis an den Rand mit Fußball gefüllt sind, und das in der Wonnejahreszeit. Was will man mehr? Na ja, einfach halt einen Sieg der bevorzugten Mannschaft im kommenden Spiel. Das wäre dann Hertha BSC in ein paar Stunden gegen Darmstadt.
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Kommentar von hermann |
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