Diego Maradona (1960-2020)

Diego Maradona ist tot. Seine große WM war die, bei der ich das für meine Begriffe beste Länderspiel aller Zeiten gesehen habe: Frankreich-Brasilien 1986. Es gibt einen großartigen Film über ihn, von Asif Kapadia, er ist überall leicht zu kriegen. Hier ein Text, den ich über dieses Porträt geschrieben habe.

Die ärmste Stadt Italiens kauft den teuersten Fußballer der Welt: Mit diesen Worten verkündete ein Nachrichtensprecher im Juli 1984 den Transfer des argentinischen Stars Diego Maradona vom FC Barcelona zum SSC Neapel. Gleich bei der ersten Pressekonferenz kam es zu einem Eklat. Ein Journalist fragte: „Weiß Maradona, was die Camorra ist, und welchen Einfluss sie in Neapel hat?“

Natürlich ist das nicht an den Fußballer gerichtet, sondern an die Politiker und Unternehmer der Stadt. In diesem Moment zeigen die verwaschenen Videovilder, die von dieser Pressekonferenz überliefert sind, einen Sportler und Künstler, der alles mitbringt, um dieses große Spiel zu prägen. Aber das ganze Drumherum des Fußballs ist noch ein bisschen größer und gewaltiger, und ein kleiner Junge aus einem Armenviertel aus Buenos Aires ist nicht der beste Kandidat, um zwischen diesen Kräften zu bestehen.

In Grundzügen ist wohl zumindest den meisten Fans des Fußballsports bekannt, welche Höhepunkte und Rückschläge in der Karriere von Diega Maradona zu verzeichnen waren: der Weltmeistertitel mit Argentinien im Jahr 1986, die Meisterschaft mit Neapel im Jahr darauf, das Spiel zwischen Italien und Argentinien bei der WM 1990, bei dem Maradona – ausgerechnet im Stadio San Paolo in Neapel – den entscheidenden Elfmeter für Argentinien verwandelte. Danach kamen die Skandale: Drogensucht, Sex mit Prostituierten, Mafiakontakte, Sperren, Fettsucht. Als lebende Legende tauchte er immer wieder auf, und machte dabei nicht immer die allerbeste Figur.

Man könnte dieses Leben als eine Fallstudie über eine grausame Unterhaltungsindustrie erzählen. Aber Asif Kapadia will mit seinem Dokumentarfilm Diego Maradona weder auf Kulturkritik noch auf Moral hinaus. Er sucht nach den Spuren, die der Mensch Maradona in den Archiven einer Mediengesellschaft hinterlassen hat, die scheinbar alles aufzeichnet. Und er findet dabei nicht nur großartiges Material, er findet tatsächlich eine Figur, die man für eine plausible Version des „wahren“ Maradona halten kann.

Die Zeit in Neapel steht dabei im Mittelpunkt, auch deswegen, weil es aus diesen Jahren das spannendste Material gibt. Schon die ersten Bilder von einem Autokonvoi, der durch die Stadt zum Sao Paolo fährt, deuten an, welchen Stellenwert Maradona hatte: man könnte an die Paparazzi denken, die hinter Prinzessin Diana her waren, allerdings sind in Neapel anno 1984 die Autos ein wenig alltäglicher. Um nicht zu sagen, armseliger.

Asif Kapadia erzählt in der Manier, in der er schon Senna (den Formel-1-Piloten Ayrton Senna) und Amy (die Sängerin Amy Winehouse) porträtiert hatte, von einem grellen, verrückten Leben, mit spannendem Bild- und Tonmaterial, und genau der richtigen Balance zwischen Sympathie und Distanz. Er konnte dabei auf über 500 Stunden Material zurückgreifen, und beleuchtet dabei auch durchaus intime Details: die jahrzehntelange Verleugnung eines außereheliches Sohns zum Beispiel. Trauriger Höhepunkt ist wohl ein Tondokument, das aus einer Abhöraktion der italienischen Polizei stammt: Diego bestellt da Drogen „und zwei Mädchen“, und man hört keinerlei Glamour dabei heraus, sondern nur noch Sucht und Einsamkeit.

<>Kapadia hat sich inzwischen ein Renommee erarbeitet, das ihm erlaubt, es mit globalen Identifikationsfiguren auf der Höhe des audiovisuellen Materials aufzunehmen: Sein Blick auf Diego Maradona ist auch ein Blick auf eine Figur, wie es sie heute nicht mehr geben würde. Denn inzwischen sind Instagram und andere soziale Medien zu Schutzwänden geworden, hinter denen sich die Stars verstecken, indem sie genau steuern (lassen), was nach außen dringen darf. Maradona war in dieser Hinsicht noch naiv und unberaten, nur so konnten überhaupt all die Dokumente entstehen, die Kapadia nun souverän arrangiert hat, und die er nicht, wie es die verlogene Regenbogenpresse immer wieder tut, gegen ihren Helden verwendet. Sondern um ihn inmitten der Bildgewitter zu schützen.

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