Dummes deutsches Geld

Als ich vor zwanzig Jahren von Wien nach Berlin ging, war gerade Hochkonjunktur an den Börsen – der New Economy Crash von 2002 bereitete sich vor. Aus dieser Zeit ist mir noch ein Begriff in Erinnerung: "stupid German money". Doofes deutsches Geld floss in doofe amerikanische Filme. In diesen Tagen muss ich ab und zu an dieses Wort denken, denn Hertha wird im Januar im Transferfenster absehbarer Weise eine Rolle spielen. Und da wird es dann sehr darauf ankommen, die Millionen von Tennor nicht als "doofes deutsches Geld" in den Wind zu schießen.

Zum Beispiel durch eine Verpflichtung von Granit Xhaka. Nach allem, was man heute lesen kann, soll die Sache mehr oder weniger klar sein: Xhaka will, Hertha will, nur Arsenal will noch nicht so richtig. Ich hoffe sehr, dass aus diesem Transfer nichts wird, und zwar aus eine Reihe von Gründen.

Xhaka spielt jetzt seit dreieinhalb Jahren in London. Weil Arsenal mein zweiter Lieblingsclub ist, habe ich ihn also seit dem Sommer 2016 sehr oft gesehen, ich habe sicher 80 oder 90 seiner insgesamt 113 Spiele für die Gunners gesehen (sieben Toren hat er in der Zeit erzielt). Und ich meine, dass sich seine Zeit in London sehr klar zusammenfassen lässt: Xhaka hat sich in dieser Zeit nicht entwickelt, sondern ist sogar eher schlechter geworden. Die Ansätze seines zweifellos vorhandenen Talents waren zwar immer noch ab und zu zu sehen, vor allem aber musste man den Eindruck haben, dass er nicht über die Persönlichkeit (und die Intelligenz) verfügt, sich als Fußballer zu verbessern.

Man muss ihm dabei allerdings zugute halten, dass seine Zeit in London in die Phase des derzeitigen Niedergangs fiel: der späte Wenger ließ Spieler vollkommen uninstruiert, und Unai Emery wurde nach einem guten Beginn so konfus, dass niemand mehr verstand, was er eigentlich wollte. Xhaka wurde unter Emery schließlich sogar Kapitän, war der Rolle aber nie gewachsen.

Gestern spielte Arsenal zum ersten Mal unter dem neuen Trainer Mikel Arteta. Eine der ersten Maßnahmen war: Xhaka bekam eine neue Rolle. Torreira war der Sechser, Xhaka der Achter. Das war ein einleuchtendes Manöver, denn Xhaka hat, als zentraler Mittelfeldspieler, seine Stärken eindeutig eher in der Offensive. Mit anderen Worten: er ist nicht der "holding midfielder", den Hertha sucht, auch wenn er diese Position meistens gespielt hat.

Als echter Sechser ist Xhaka allenfalls Durchschnitt. Er ist oft begriffstutzig, seine Antizipation von Situationen ist nicht gut, er begeht auch zu viele Fouls in gefährlichen Bereichen, und er neigt bei der Spieleröffnung zum Quergeschiebe. Es gibt in jedem Spiel so zehn Minuten, in denen er aufzuwachen scheint, dann gibt es von ihm tolle, vertikale Pässe. Aber meistens agiert er in einem faden Sicherheitsmodus.

Hertha sucht einen Ersatz für Skjelbred. Arne Maier soll das wohl nicht sein, obwohl er im Vorjahr gezeigt hat, dass er durchaus ein exzellenter Sechser sein kann. Da dies die einzige Position ist, auf der Verstärkung wirklich Sinn machen würde, ist im Grunde die Frage für alle Hertha-Fans heute: Ist Xhaka besser als Maier? Unter Vorbehalt der schwierigen direkten Vergleichbarkeit von Spielern ist die Antwort für mich aber doch klar: Maier ist der ungleich bessere Fußballer, er ist schon da, er hat im Moment nicht einmal einen Stammplatz, was eine bemerkenswerte Verschwendung darstellen würde, bliebe das auch in der Rückrunde so.

Xhaka käme deutlich beschädigt aus der Premier League in die Bundesliga zurück, er wäre de facto in London gescheitert: Will Hertha sich wirklich auf so einen Führungsspieler einlassen? Es wäre sicher ein Transfer, den man Windhorst plausibel machen kann, und es wäre einer, der überregional bemerkt werden würde. Sportlich spricht für meine Begriffe deutlich mehr dagegen als dafür, aber das wird einen Verein, der mit seinem Geld etwas anfangen muss, wahrscheinlich nicht hindern. Kohle muss brennen, sonst stirbt der Kapitalismus.

Und damit wird die Strategie von Michael Preetz (hauseigene Talente in einen Kader mit stillen Reserven zu integrieren) Geschichte sein. Das tut weh, hat er sich aber durch seine verfehlte Trainerentscheidung im Sommer auch selbst zuzuschreiben.

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Kommentare

Kommentar von klaus ungerer |

babbel - skibbe - rehhagel - covic - klinsmann. alle paar jahre ist hertha bsc aufgrund desolater trainerfindung die lachnummer der nation. für meine begriffe hat preetz seine allerletzte kugel verschossen. als abteilungsleiter etwa einer gebäudereinigungsfirma wäre er bei einer vergleichbaren performance schon längst weg.

Kommentar von Jörg |

Von Klinsmann hatte ich mir mehr erwartet. Ich habe mich gefreut, als er kam. Weil ich mir dachte, dass er sich das gut überlegt hat und dass die Fakten, zu denen er im Vorfeld viel besser Zugang hatte als wir hier außerhalb, für ihn attraktiv aussahen sowie für ein gutes Endergebnis ausreichend. Dass sein derzeitiges Zwischenergebnis kein so richtig gutes ist, das müsste ihm so klar sein wie allen anderen auch, und dass man da keine langfristige Zusage im Profifussball erwarten kann, sollte ihn nicht überrascht haben. Bei den Einkäufen war er sicher federführend, und da hätte ich erwartet, dass er aus all diesen Einkäufen nun beginnt eine funktionierende Mannschaft zu formen. Bei diesem Mangel an Konstanz, Kommunikationsfähigkeit und Verantwortungsbereitschaft, den Klinsmann gerade gezeigt hat, halte ich ihn für eine Fehlbesetzung im Aufsichtsrat. Selbst wenn ich mich freue, dass er Hertha wohlgesonnen ist und hoffe, dass er weiter Mitglied bleibt.

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