Ein Rätsel mit elf Stellen

Bei Hertha BSV herrscht die große Verständnislosigkeit. Der Trainer versteht die Mannschaft nicht, die Mannschaft versteht ihr Spiel nicht, die Fans verstehen das alles sowieso nicht. Wir können nur ratlos mitansehen, wie sich beim 1:3 in Hannover in einem wegweisenden Moment das Grundprinzip dieser Saison noch einmal durchgesetzt hat: Ambition ist für diese Mannschaft ein Fremdwort.

Mit einem Auswärtssieg hätte Hertha eine kleine Chance am Leben erhalten können, am Ende vielleicht noch Platz 7 zu erreichen. Ein frühes Gegentor durch Harnik reichte aber, um alle Matchpläne über den Haufen zu werfen. Danach spielte Hannover das, was Hertha vielleicht auch hätte spielen wollen: dominant und im guten Sinn aggressiv, mit dem Sinnbild des dritten Tors durch Füllkrug, das durch pure Wucht den Unterschied anzeigte.

Pal Dardai hatte im Interview vor dem Spiel von Spielfreude gesprochen, von Tempo und Umschalten. Anscheinend hatte Hertha mit vielen gerechnet, nur nicht mit der Möglichkeit, dass Hannover den gleichen Plan haben könnte - und ihn wirkungsvoller umsetzen würde. Mehrfach haben wir in dieser Saison gesehen, dass Hertha widerstandslos in schlechte Routine verfallen ist, wenn sich zeigte, dass der Gegner mehr vom Spiel wollte.

Zu analysieren gibt es gar nicht viel, wichtig ist nur, einen Aspekt hervorzuheben. Das Spiel passt in den Trend. Hertha hat in der Rückrunde viermal gewonnen, in allen Fällen waren es Siege, die nicht wirklich umkämpft waren, sondern die der Mannschaft mehr oder weniger zufielen. Hertha hat in dieser Rückrunde kein einziges Mal gegen einen Gegner gewonnen, der wirklich Widerstand geleistet hat - wie es bei Hannover der Fall war. Die Streitsportart Fußball, bei der es auch darum geht, sich durchzusetzen (und nicht nur relativ günstige Gelegenheiten zu nützen), wird von Hertha BSC nicht betrieben.

Das letzte Spiel gegen Leipzig steht nun unter dem ungünstigen Vorzeichen, dass es für die Dosen um viel geht, für Hertha aber nur noch um einen Akzent. Im Vorjahr gab es zum Ende den Akzent eines katastrophalen Spiels gegen Leverkusen - vor diesem Hintergrund kann man die aktuelle Saison als relativ erfolgreich sehen, denn Hertha hat solche Desaster eingehegt (das halbe gegen Hannover gestern wird leider niemand lange beschäftigen). Nur bei solcherart beschränkten Ansprüchen konnte ein ereignisloses Remis gegen schlaffe Bayern als "grandios" erscheinen, wie das tatsächlich geäußert wurde - eines von vielen Indizien für fehlende Maßstäbe.

Hertha war in diesem Jahr so "grandios" mittelmäßig, dass man eigentlich einen eigenen Tabellenplatz erfinden müsste: 10 minus. Das Minus kann mit einer starken Leistung gegen Leipzig noch gestrichen werden. Man fragt sich allerdings, woher diese Leistung kommen soll. Denn ein gutes Spiel beruht nun einmal auf gemeinsamem Verständnis, und daran fehlt es bei Hertha in diesem Jahr auf fast jeder Ebene.

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