Ein Treffer für die Lehrbücher

War das ein Zeichen, das Schiedsrichter Stegemann am Samstagabend im Olympiastadion setzen wollte, als er Hertha gegen Eintracht Frankfurt mehr oder weniger sang- und klanglos nach 90 Minuten beendete? Gründe für eine ausführliche Nachspielzeit gab es hinreichend, nur das Gefühl, in diesem Spiel wäre noch irgendetwas drin, das hatte wohl niemand. Hertha hat mit einem 2:0 einen "Big Point" (Pal Dardai) gemacht. Die Mannschaft hat sich dabei auf eine ihrer wichtigsten Tugenden verlassen: sie hat aus ganz wenig eine Menge gemacht. Das nennt man Effizienz.

Das Bayern-Spiel hatte (für Hertha) zu lange gedauert, das Duell um Platz 5 hingegen war nach 82 Minuten entschieden, als Maximilian Mittelstädt, eingewechselt vor allem zur Absicherung eines knappen Vorsprungs, eine schöne Flanke in den Strafraum schickte. Sie fand Darida, der sich danach glücklich an den Kopf fasste. Glücklich, und auch ein wenig ungläubig.

Dieses Mal spielte es keine Rolle, dass Hertha wieder einmal eine weitgehend teilnahmslose erste Halbzeit gespielt hatte. Frankfurt hatte das bessere taktische Konzept, dazu auch die beste Torchance, es war einmal mehr Rune Jarstein, vielleicht die wichtigste Hertha-Entdeckung seit Jahren, der den torlosen Gleichstand wahrte.

Die Unterschiede, die Hertha von den noch schwächeren Spielen zum Rückrundenbeginn trennen, sind aber immerhin vorhanden. Einer ist Niklas Stark, der im zentralen Mittelfeld ein bisschen aktiver ist als Fabian Lustenberger. Stark spielte schließlich den schönen, vertikalen Pass (in Österreich sagte man früher dazu Lochpass, heute heißt das Schnittstellenpass) auf Kalou, der dadurch die Gelegenheit bekam, Chandler im Strafraum in einen Zweikampf zu involvieren. Ibisevic erzielte aus einem Abpraller einen Treffer, den die versammelten Sky-Experten dann erst mühsam entschlüsseln mussten.

Dass es Elfmeter hätte geben müssen, wurde erst relevant, als sich erwies, dass Kalou beim Schuss von Ibisevic im Abseits war, und Hradecky behinderte, und zwar wegen des Fouls. Immerhin kann Hertha nach einem ansonsten ereignisarmen Spiel von sich behaupten, ein Tor für die Lehrbücher erzielt zu haben.

Die Betreuer und auch die meisten Fans werden das 2:0 wohl mit Handkuss als das nehmen, was es in erster Linie bedeutet: einen wichtigen Schritt zu einer normalen Rückrunde eines durchschnittlichen Bundesligaaspiranten, der sich dem Thema Europa nicht verschließen will. Die Leistung wird am Ergebnis gemessen.

Man könnte allerdings ein paar Fragen stellen, die gar nicht einmal Hertha allein, sondern die Liga als solche betreffen: Das Spiel war immerhin das Topspiel, es lief in der internationalen Fernsehauslage, es war nur bloß kein richtiges Spiel. Es war eine Begegnung zweier Mannschaften, die überdeutlich signalisierten: eines Tages werden wir vielleicht Fußball spielen, noch aber sind wir nicht so weit, wir kommen ja von weiß Gott woher.

Die Bundesliga ist eine Liga des unendlichen Aufschubs: nur ganz wenige Vereine sind wirklich bereit, Verantwortung zu übernehmen. Der Rest spielt auch noch um Europa wie gegen den Abstieg, aber ohne die Dramatik, die der wirkliche Überlebenskampf dann doch immer wieder entfacht.

Die ersten zehn Minuten gegen den FC Bayern waren ein Hinweis darauf, dass Hertha es auch anders könnte: mutig, kreativ, leidenschaftlich und vor allem mit einer deutlichen Präferenz für das gegnerische Tor als Spielrichtung. Gegen Frankfurt war davon kaum mehr etwas zu sehen, sodass man zusammenfassend wohl sagen muss: big point, yet small performance.

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