Einfache Doppelspitze

Vertikaler kann man einen Konter kaum spielen als den, mit dem Hertha gestern den 2:0-Heimsieg gegen den FC Köln besiegelte. Ausgerechnet auf Johannes van den Bergh kommt alles an, er lässt sich Zeit, so viel Zeit, wie notwendig ist, um die Laufrichtung von Alexander Baumjohann zu erkennen und auch ein wenig zu suggerieren, der Pass kommt sehr schön in den Sprint, während Ibisevic schon unterwegs in Richtung des gegnerischen Sechzehners ist. Der neue Stürmer schließt in der Manier ab, die Könner seines Faches auszeichnet: alles ist haarscharf, flacher könnte der Lupfer kaum sein, mit dem er das linke Bein des herauseilenden Keepers überwindet.

Der Treffer in der Nachspielzeit einer spannenden Begegnung darf als Wegmarke verzeichnet werden. Die Depression ist überwunden, diese merkwürdige Phase, die ja auch noch das Wirken von Dardai/Widmeyer in der vergangenen Saison so wesentlich bestimmt hat, und der es zuzuschreiben ist, dass wohl nicht nur ich mit einem guten Maß Skepsis in diese Spielzeit gegangen bin. Die hat ja auch mühsam begonnen, aber inzwischen ist unübersehbar, dass diese Mannschaft und vor allem dieser Kader in dieser Liga etwas zu bestellen haben.

Für Michael Preetz muss der Sieg eine besondere Genugtuung sein, denn die zwei Tore von Vedad Ibisevic sind auch Bestätigung für seine Personalpolitik, die sich, in Kombination mit den zwei gewichtigen Neuzugängen aus der Rehabilitation, Baumjohann und Cigerci, als konstruktiv erweist. Das hat auch damit zu tun, dass DW (so werde ich künftig das Betreuerduo abkürzen) die Auswahlmöglichkeiten nützt.

In einem Heimspiel gegen einen direkten Konkurrenten (wobei sich noch weisen muss, worum genau konkurriert wird) musste Hertha eine etwas offensivere Formation aufbieten als auswärts in Wolfsburg. Die Lösung für das Flutlichtspiel in der englischen Woche war sowohl taktisch wie personalpolitisch gescheit: Kalou bildete mit Ibisevic zusammen eine Doppelspitze, de facto spielte der Ivorer eine Art Zehner, und er drückte sich auch vor den damit verbundenen defensiven Aufgaben nicht.

Cigerci musste auf die Bank, Baumjohann wäre die Alternative zu Kalou gewesen, man sieht, es gibt Optionen, aber es war wichtig, den zwei Alpha-Angreifern schon einmal deutlich zu machen, dass sie kompatibel sind. Die Viererkette bildeten, in Ermangelung von drei Viertel der Stammbesetzung, Plattenhardt, Lustenberger, Stark und Weiser. Der ehemalige Kölner war die zweite auffällige Personalie, er zeigte sich schon viel besser mit der doppelten Funktion auf seiner Position vertraut, war defensiv präsenter, und sorgte offensiv für interessante Situationen, vor allem mit seinem Trademark Move, einem Haken nach innen.

Weiser steht für einen neuen Esprit in dieser Mannschaft, für ein technisch anspruchsvolleres Spiel, das schnellere Passfolgen erlaubt und natürlich im besten Fall auch inspirierend ist. Der Sieg gegen Köln, der mit einem Tor gegen Ende der ersten Halbzeit auf den Weg gebracht wurde, war verdient, wenn auch umkämpft. Hertha ist kompakt, lässt aber doch immer wieder eine Menge zu.

Vor zwei Jahren hatte Hertha, damals als Aufsteiger, nach sechs Spielen acht Punkte, und alle waren positiv überrascht. Es wurde eine erfreuliche Hinrunde, gipfelnd in einem Auswärtssieg beim BVB. Danach musste man den Eindruck haben, als hätte jemand dem ganzen Projekt den Boden unter den Füßen weggezogen. Gerade auch vor diesem Hintergrund fällt ins Auge, wie klug DW vorgehen. Der lange Zeit indiskutable Kalou wird nicht bloßgestellt, sondern vor eine Situation gestellt, mit der er umgehen kann, die ihn aber auch herausfordert. Ein wenig unvermutet, denn konkret konnte sich das ja wirklich erst im Spielbetrieb erweisen, hat Hertha plötzlich einen Kader, der positive Konkurrenzsituationen schafft.

Nun wird spannend zu beobachten sein, wie ein sensibler Könner wie Stocker mit seiner Rolle umgeht (bei ihm ist am deutlichsten, dass er noch nach seinen Möglichkeiten sucht), und wie Cigerci in die Mannschaft integriert wird. Er kam erst in der 90. Minute, eigentlich ist er aber kein Ergänzungsspieler, und gerade bei der Spieleröffnung war zu bemerken, dass man ihn hätte brauchen können - das fiel aber vor allem deswegen auf, weil er sich gegen Wolfsburg so gut eingebracht hatte.

Man hat den Eindruck, dass Hertha technisch und athletisch deutlich verbessert ist, mit positiven Erfahrungen könnte sich da noch einiges an erfreulichen Möglichkeiten ergeben. Ein Drittel der Hinrunde ist gespielt, darunter auch schon zwei der großen drei (zweimal respektabel verloren), nun kommen Gegner, in deren Preisklasse man sich in etwa bewegt. Mit der einfachen Doppelspitze, also einem ziemlich orthodoxen 4-4-2, hat Hertha schon einmal eine gute Formation. Der Führungstreffer war fast schon ein Schulbeispiel für die entsprechenden Laufwege, Plattenhardt wird aus dem Zentrum heraus auf den Weg gebracht, Ibisevic geht auf den kurzen Pfosten, und hat die Technik, den Flankenball einzunicken. Ein Tor wie aus dem Skizzenbuch. Hertha deutet aber auch schon das eine oder andere Action Painting an.

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