Unvermutet kommt es kommendes Wochenende zu einem Topspiel in der Liga, von dem allerdings noch nicht ganz klar ist, ob man es nicht vielleicht mit einem Duell gegen den Abstieg verwechseln könnte: Hertha auswärts gegen Bremen, ein Spiel um Platz 5, das ohne Weiteres die Charakteristika eines Spiels gegen Platz 16 haben kann.
Hertha hat gegen Wolfsburg eine schon etwas in Vergessenheit geratene Tugend ausgepackt: Effizienz. Das 1:0 reicht, um Platz 5 zu festigen. Bremen hingegen hat in Ingolstadt eines dieser wogenden Duelle gewonnen, wie sie für die entscheidenden Wochen im Kampf um das Klassenerhalt typisch sind. Und plötzlich steht die Mannschaft auf einem europäischen Platz. Wir erinnern uns dabei natürlich daran, dass Bremen es war, die in dieser Saison zum ersten Mal die Festung Olympiastadion geknackt haben.
Der Sieg gegen Wolfsburg war in zweifacher Hinsicht verdient: der Gegner stellte sich nämlich einigermaßen dumm an, und Hertha steigerte sich nach gewohnt mäßiger erster Halbzeit immerhin so weit, dass derr einzige Treffer durch Ibisevic eine zumindest minimale Folgerichtigkeit hatte.
Der entscheidende Faktor, der ein insgesamt schwaches Spiel prägte, war für meine Begriffe der engagierte Auftritt von Darida. Zum ersten Mal seit längerer Zeit deutete er wieder einmal an, dass er ein idealer Umschaltspieler ist. Wenn Darida in Form ist (was er seit Ewigkeiten nicht war), dann wird aus Herthas zentralem Mittelfeld ein Faktor für das Spiel (und nicht bloß bestenfalls eine neutraliserte Zone).
Allerdings hätte es zu diesem Zeitpunkt nach ungefähr zwei Dritteln schon mehrere Tore für Wolfsburg geben müssen, weil vor allem John Brooks zu Beginn eher lässig in Feldherrenmanier Laufaufträge an Nebenspieler signalisierte, obwohl ganz eindeutig er selbst für den Zweikampf zuständig war. Die letzte Linie war in der ersten Phase eher ein Spalier, durch das die grünen Männchen beflissen gewunken wurden.
Sehr allmählich ließ Hertha sich auf dieses Spiel ein. Dann allerdings war sogar so etwas wie die taktische Grundkonzeption dieser Mannschaft erkennbar. Sie ist ja auch nicht superoriginell, denn sie beruht auf einem konsequenten Flügelspiel, das allerdings selten zustandekommt, weil es dazu Tempo braucht - was der Gegner in der Regel verhindert.
Mitchell Weisers Faktor für das Spiel von Hertha hat sehr viel mit dieser Fähigkeit zu tun, von der offensiven (oder sogar besser noch: von der defensiven) Außenposition in Richtung Sechzehnereck zu gehen (Esswein probiert das auch manchmal, mit weniger Erfolg). Das stiftet manchmal ausreichend Verwirrung für interessante Manöver. Gegen Wolfsburg musste hingegen eine klassische Flanke reichen, die Esswein in die Mitte brachte. Schießen und flanken kann er eindeutig. Da hat er Haraguchi etwas voraus.
Hertha hat in der zweiten Halbzeit nur das Allernötigste getan, was eine spielende Mannschaft tun muss, um Platz 5 in der Liga auch irgendwie durch Qualität und Initiative zu legimieren. Aber das immerhin war zu sehen. Da Gomez noch eine weitere Riesenchance vergab, reichte der eine Treffer von Ibisevic.
Der Sieg nimmt enorm viel Druck aus der Saison. Denn so schlecht wie im Vorjahr kann die Rückrunde nun nicht mehr enden. Hertha kann auch Spiele nach Ostern gewinnen. Nun kommt ein Gegner, der vieles ist, aber sicher nicht übermächtig. Hertha war in dieser Saison am besten meist in offenen Spielen. Und dann kommen die Dosen ins Olympiastadion, wie sie von Freunden spöttisch genannt werden.
Das wird dann ein Spiel, in dem Hertha sich wirklich positionieren kann, über die Tabelle hinaus. Denn die Tabelle, seien wir ehrlich, lügt zwar nicht, aber sie erzählt nicht die Geschichten dieser Saison, in der die Topdivision einer des wichtigsten Fußballländer der Welt auf einen kollektiven Selbstfindungstrip gegangen ist.
Mit seinem mustergültigen Tor, bei dem niemals zu klären sein wird, ob es herausgespielt oder bloß erkontert wurde, hat Vedad Ibisevic Hertha einen wichtigen Hinweis auf die wünschenswerte Identität gegeben: eine Fußballmannschaft ist ein Verband von Spielern, die gemeinsam Tore erzielen wollen. Zur Not reicht eines, aber irgendwann sollte doch ein wenig besser erkennbar werden, dass man Fußball auch mit Begeisterung spielen kann, und zwar ohne deswegen die elementaren Tugenden zu vernachlässigen.
Bis dahin lassen wir die schnöden Arbeitssiege von Hertha eben als Andeutung gelten.
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