von Marxelinho

Europakreisel

Der 1. FSV Mainz 05 trägt seine Heimspiele in der Coface-Arena - Stadion am Europakreisel aus. Das erweist sich in der gegenwärtigen Situation der Saison als ein Name, der ausgesprochen passend ist, gerade weil er so umständlich ist. Die Mannschaft von Thomas Tuchel hat sich mit soliden Leistungen mitten hinein in einen Europakreisel gespielt, in dem sich auch Hertha BSC befindet. Drei Punkte trennen fünf Mannschaften, die alle Chancen auf einen der Plätze 5, 6 oder 7 haben. Die Perspektiven scheinen aber nicht immer zu brillanten Leistungen zu inspirieren, sieht man einmal von Augsburg ab, die ihren aktuellen "overstretch" so richtig zu genießen scheinen.

Ich war am Sonntag in Mainz und habe dort einen so richtig idealtypischen deutschen Bundesliganachmittag erlebt. Das soll heißen: solides Stadion, mittelständisches Publikum, exzellente Logistik. Alles fast wie im Klischee, was natürlich auch leichter geht, wenn man ein Stadion so richtig an die Peripherie setzen kann, wo man im Falle eines Gedränges notfalls bis an die Startbahn West des Flughafens FRA ausweichen kann (und sich mit Plane Spotting die Zeit vertreiben kann). Den Transport an den Stadtrand erledigen Busse, die vom Hauptbahnhof aus in kurzen Intervallen fahren.

Das Spiel, das ich zwischen zwei Herren im beginnenden gesetzten Alter beobachtete, von denen einer kaum hinsah, weil er ununterbrochen mit seinem technischen Winzding beschäftigt war, würde ich auch als typisches Bundesliga-Mittelfeldduell bezeichnen. Wobei Hertha weiterhin eine Spur zu deutlich an seinem Grundordnungsdilemma laboriert. Es fehlt ein wenig an Momenten, in denen aus der taktischen Aufgabe ein Spiel wird.

Thomas Tuchel, der zu großen Hoffnungen berechtigende Trainer von Mainz, gab vor dem Spiel einem Reporter des Bezahlsenders eine sehr vernünftige Antwort auf einer der typischen Europakreisel-Fragen: "Es bringt halt nichts, darüber zu reden." Einfacher hätte man es nicht sagen können. Helfen wird es nichts.

Jos Luhukay hatte wieder einmal eine Überraschung parat. Hinten links kam Fabian Holland in die Mannschaft, van den Bergh rückte eine Position nach vorn, spielte aber wie ein linker Außendecker. Kobiashvili blieb in der Innenverteidigung, hatte allerdings ein etwas abenteuerliches Spiel, und trug seinen Teil zu nicht wenigen Mainzer Chancen bei. Im Mittelfeld bot sich vor dem zentral defensiv arbeitenden Hosogaj eine flexible Formation dar, die nicht immer den Eindruck konstruktiver Flexibilität machte: Skjelbred und der nicht selten eher sinnlos vazierende Ndjeng, dazu Allagui und Ramos.

In der ersten Halbzeit wurde vor allem Thomas Kraft berühmt, der sich einmal dem allein durchbrechenden Müller sehr weit vor dem Tor entgegenwarf. Es war nicht die einzige Großtat, Mainz hatte zu viele Chancen. Hertha war nicht gut. Der Trainer reagierte und brachte nach der Pause Ronny. Es folgten zehn Minuten, in denen Hertha das Spiel übernahm, vor der Pause hatte sich das schon als Möglichkeit angedeutet.

Der Führungstreffer war allerdings von der Art, dass im Moment nur Ramos ihn erzielen kann. Er ist der einzige Herthaner in dieser Phase der Saison, der zumindest gelegentlich explodiert. Ein Zuspiel von Skjelbred, das nur ein Klassestürmer sofort als Chance definiert, verwertete er mit einem gekonnten Flachschuss gegen die Laufrichtung. Mainz konterte mehr oder weniger auf dem Fuß, aber Noveski traf nach einer Ecke per Kopf das Tor nicht. Es war aber eine jener klassischen Corner-Situationen, in denen Hertha nicht gut verteidigt. In diesem Fall war es eher Manndeckung. Allagui kam nicht in das Duell.

Der Ex-Mainzer war dann auch eine entscheidende Figur beim Ausgleich. Der eingewechselte Koo brachte einen Ball aus eigentlich noch uninteressanter Situation weit in der eigenen Hälfte auf den Weg. Allagui war für das "tracking back" von Park zuständig, ließ sich dabei allerdings von dem ziemlich starken Choupo-Moting irreführen. Der Mainzer Angreifer verzögerte den Angriff geschickt, und Park stahl sich in den Strafraum. Allagui kam zu spät, und holte ihn von den Beinen. Elfmeter. Choupo-Moting verwandelte. Fabian Holland, das Berliner Pendant von Park, hatte allenfalls eine Szene, die in Andeutungen als Entsprechung gewertet werden kann.

Es gab dann noch mehrere spannende Szenen, und in der 74. Minute sogar eine richtig überraschende, als nämlich Sebastian Langkamp einen Berliner Angriff abschloss. Wie war der da nach vorn gekommen? Er hatte eben einmal eine offensive Situation eingeleitet, und erkannt, dass deren Potential wesentlich davon abhing, ob er selbst mit nach vorne lief. Also lief er.

Aus dem Gegrummel meiner beiden Sitznachbarn konnte ich erschließen, dass in Mainz die Probleme durchaus ähnlich sind wie in Berlin. Das Publikum ist hungrig, es beginnt sich an Erfolge zu gewöhnen und will mehr. Insgesamt bekommt man aber an so einem frühlingshaften Sonntagnachmittag nach so einem Spiel eindeutig das Gefühl, dass Fußball vielleicht die schönste Nebensache der Welt ist, keinesfalls aber mehr. In gefühlten fünf Minuten war ich schon wieder am Hauptbahnhof, alle Züge kamen pünktlich, kurz nach halb zwei war ich in Berlin. Ich hatte "just another day at the office" mit der deutschen Bundesliga verbracht. Das Europakreisel dreht sich weiter, ohne dass einen dabei wirklich Schwindel erfassen müsste.

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