Als Hertha BSC vor etwas mehr als einem Jahr den Vertrag mit Marvin Plattenhardt bis 2020 verlängert hat, habe ich das eher gelassen zur Kenntnis genommen. Inzwischen zeigt sich aber mehr und mehr, dass diesem Detail eine gute Einschätzung zugrunde lag. Der jetzt schon deutlich beste Linksverteidiger, den Hertha in all den Jahren seit 1997 hatte, spielt sich gerade wieder einmal in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit. Und er akzentuiert seine meist anständigen bis guten Leistungen ab und zu mit Freistoßtoren, auf die eine spielerisch derzeit recht limitiert wirkende Mannschaft sehr angewiesen ist.
Das Heimspiel gegen Darmstadt wenige Tage vor Weihnachten stand natürlich im Zeichen des Anschlags von Montag. Aber die genaue Natur des Zusammenhangs wird niemand herausfinden. Wären ohne die Todesfahrt vom Breitscheidplatz mehr als die knapp 32.000 Zuschauer gekommen? (Ich fiel wegen einer Erkältung aus, und von einer der stärksten Hertha-Seelen weiß ich aus sozialen Netzwerken, dass sie von Madeira aus zusah, also zweimal bei der Angabe der Gründe für Abwesenheit: andere.) Hat während des Spiels irgendjemand sich von der schwierigen Weltlage, auf die später am Abend dann sogar Carlo Ancellotti noch verwies, bedrücken lassen?
Hertha hatte am Nachmittag vor dem Spiel noch einen Kranz am Breitscheidplatz niedergelegt und dies auch digital geteilt. Es war eine bewegende Geste, zumal man mit dem Fanshop im Europacenter ja auch Anrainer ist, aber die Gesetze der Mediengesellschaft machen daraus unweigerlich auch einen Marketingauftritt. Hätte man es unterlassen sollen? Ich weiß es nicht. Das Bild selbst, mit der Gedächtniskirche und dem Christbaum im Hintergrund und dem Talisman Nello di Martino im Zentrum, hält auf jeden Fall einen besonderen Moment fest. Und Hertha (alle zwei Wochen für eine höchst sicherheitsrelevante Großveranstaltung verantwortlich) ist da wohl doch ein bisschen mit der Stadt zusammengewachsen. Nimmt man das als den tieferen Sinn, dann war das wohl ein guter Move.
Über das Spiel gegen Darmstadt muss man vielleicht gar nicht so viel sagen. Vor einem halben Jahr hat Hertha das gleiche Heimspiel, bei besten Bedingungen und intakten Chancen auf einen brillanten Saisonabschluss, verloren. Dieses Mal gab es einen Pflichtsieg, der abgesehen von ein paar Minuten vor der Pause nie gefährdet war, dem aber auch wenig Strahlkraft eignet. Weil viele andere Mannschaften unentschieden spielten, steht Hertha nun bis zum Hinrundenfinale am Beginn der Rückrunde auf Platz 3.
Marvin Plattenhardt war während dieses ersten Halbjahrs auch einmal kurz verletzt, aber er ist stark zurückgekommen. Im neuen Jahr wird es eine Herausforderung für die Betreuer darstellen, den idealen Partner für ihn zu finden - sofern nicht auch Hertha dazu übergeht, die Außenbahn nur noch mit einem Vielläufer zu besetzen, wie es ja ein gewisser Trend zu sein scheint. Jedenfalls war zuletzt deutlich, dass Hertha einen wirklich starken linken Winger nicht hat, der mit Plattenhardt ein starkes Duo abgeben könnte.
Salomon Kalou hat zwar gegen Darmstadt ein Tor erzielt (das allerdings wegen eines Michael-Ballack-Gedenkschubsers von Ibisevic nicht zählen hätte dürfen), aber es war doch deutlich erkennbar, dass er Schwierigkeiten hat, mit seinem fragilen Spiel (zumal auf einem desolaten Rasen) etwas zu erreichen außer viele Ballverluste.
Rechts stellt sich die Angelegenheit ähnlich dar, auch wenn Valentin Stocker ein relativ gutes Spiel gemacht hat. Es bleibt als vorläufiger Eindruck aus den ersten 16 Spielen, dass der Höhenflug weniger exzentrisch wirkt, dass Hertha aber in einer Bringschuld bleibt: Eine Mannschaft, die auf einem Champions-League-Platz steht, muss eigentlich in den großen Spielen anders auftreten.
30 Punkte sind die perfekte Grundlage für eine Vorbereitung, die Akzente in diese Richtung setzen kann. Und Marvin Plattenhardt ist zum Glück langfristig gebunden. Es wäre nicht verwunderlich, wenn schon in dieser Wintertransferperiode die eine oder andere Anfrage hereinschneien würde. Ich hoffe, er bleibt noch so lange, bis alle Erinnerungen an Michael Hartmann oder Malik Fathi endgültig in einem schönen Sepiaton der Sympathie verstaut werden können. Und ich hoffe, dass er sich von dem unausweichlichen Codewort "Nationalteam" nicht noch einmal so aus der Form bringen lässt, wie letztes Jahr.
Frohe - und besinnliche - Weihnachten. Meine Stadt - mein Verein. Hertha BSC.
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