Eine Woche nach dem Triumph der deutschen Mannschaft in Rio ist alles wieder normal. Eigentlich war schon am Tag darauf alles wieder normal, denn die Öffentlichkeit hat für die besonderen Umstände dieses Titels nur beschränkt die richtigen Register. Die Zeit hat sich bemüht und unter dem Titel "We are family" die Szenen nach dem Spiel beschrieben, den Elfmeter, den Lukas Podolski sich von seinem Sohn hineinhauen ließ, die Spielerfreundinnen auf dem Rasen, das ganze schöne Miteinander, bei den nur ausgeblendet blieb, dass dazu wesentlich auch die Boulevardmedien in der Heimat gehören, und dass es keine Cathy Fischer ohne Simone Ballack gibt.
Auf der Siegermeile war dann alles schon wieder so, dass man nun eigentlich froh sein müsste, von den meisten eine Weile nichts zu hören, und dann bitte wieder lieber nur die Phrasen, mit denen wir Samstag für Samstag die normale Dosis Ligafußball aufnehmen, ohne die wir in die Entzugsklinik müssten. Von Mario Götze kamen später in die Woche noch Fotos im Umlauf, die ihn beim Urlauben auf einem Boot zeigten. Eines zeigte ihn mit einer Erektion oder einer Banane in der Hose, woraufhin jemand in der New York Times kommentierte: "He should have been disqualified for an extra leg."
Götze hat sicher ein goldenes Füßchen, scheint aber auch ein sehr uninteressanter Knilch zu sein. Kein Vergleich mit Jérôme Boateng, von dem an diesem Wochenende ein tolles Interview erschien, in dem sich einmal mehr zeigte, dass er als Persönlichkeit kontinuierlich wächst. Manchmal hat sein öffentliches Auftreten etwas Beflissenes, wenn er mit Brille und gedrechselten Sätzen den Musterschüler macht. Doch er trägt anscheinend mehr und mehr dem Umstand Rechnung, dass er sich etwas zutraut, dass er auch schon eine Menge, nämlich alles, gewonnen hat, dass er aber weiterhin zu dieser Welt gehört.
Und das bedeutet nun einmal für einen Superstar, dass er von Menschen umgeben ist, die es weniger weit geschafft haben. Patrick Ebert und Ashkan Dejagah haben sich bei ihm gemeldet. "Das bedeutet mir sehr viel." Ob seine Brüder sich gemeldet haben? Dies blieb wohlweislich ungefragt. Dass er auf die Typendiskussion noch einmal kurz einging, war eine Konzession aus der Hitze heraus. Doch im Grunde weiß er gut genug, dass sie zu denen gehört, die als Typen etwas zu kompensieren versuchen, was ihnen als Persönlichkeit fehlt.
Berlin konnte Jérôme Boateng nicht mehr bieten als die Grundlage für eine große Fußballerkarriere. Darin sollte auch ein konkreter Ansporn für Hertha liegen, der aus diesem Titel abzuleiten ist. Eine nächste Generation, wie sie vielleicht schon in Marius Gersbeck vertreten wird, der gerade in Ungarn eine Nachwuchs-EM spielt, sollte ihr vielleicht nicht mehr so selbstverständlich abgeworben werden können, wie dies bei den Boatengs der Fall war. Irgendwann sollte Hertha mit ihren Leuten in der Familie vertreten sein. Und im Idealfall sind es dann die guten Typen, solche wie Jérôme Boateng.
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Kommentar von Valdano |
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