Halb voll ist fast leer


Hertha musste gestern Abend gegen Schalke 04 eine deutliche Niederlage hinnehmen. Ich meine nicht das Ergebnis, ich meine die Zuschauerzahl: 43027 bei einem Topspiel bei Fluchtlicht am Freitagabend, das ist kein gutes Zeichen. Dabei hatte der Winter sich Zeit gelassen, es war zwar kalt, aber nicht extrem, und erst heute morgen liegt eine kümmerliche Schneedecke in Berlin.

Hat das gleichzeitig im Fernsehen übertragene Handballspiel eine Rolle gespielt? Wenn das der Fall wäre, wäre das eine Verstärkung des schlechten Vorzeichens, denn dann müsste man das ja doch als ein Indiz dafür nehmen, dass die Liga schlechte Abwehrkräfte gegen Hypes hat. Oder ist es doch ein Berliner Phänomen?

Die Unentwegten, zu denen ich auch zählte, sahen ein spannendes Spiel und schließlich ein 2:2. Zweimal ging Schalke in Führung, zweimal kam Hertha noch vor der Pause zurück. Insgesamt geht das Ergebnis wohl in Ordnung, eher gab es sogar leichte Vorteile für Schalke. Hertha war insgesamt die bessere Mannschaft, machte aber auch die ausgeprägteren Fehler.

Und dann war noch die Szene mit dem Foul von Rekik an Schöpf, die ich erst im Fernsehen in ihrem Ausmaß erkannte. Die gelbe Karte war wohl eine Fehlentscheidung. Ein Platzverweis wäre angemessen gewesen.

Duda und Grujic waren bei Hertha die prägenden Figuren, leider auch bei den Gegentoren. So pendelt sich alles immer wieder ein. Von Grujic war ich in der Hinrunde phasenweise auch begeistert, inzwischen haben wir gelernt, dass sein Defensivspiel deutliche Schwächen hat: im Zweikampf nicht immer geschickt, in der Rückwärtsbewegung auch ab und zu träge, in der Antizipation schwach - beim 0:1 durch Konoplyanka ist der es, der begreifen müsste, dass Duda wohl Hilfe im Raum brauchen wird.

Duda war bei beiden Gegentoren wichtig. Hertha ist in der Lage, ein Spiel zu machen, und insgesamt funktioniert auch das Kompaktspiel ganz gut. Aber es gab Lücken, in der zweiten Halbzeit auffällig durch das Zentrum. Die Raute ist auch ein Faktor im Spielaufbau. Maier und Grujic warten oft auf gleicher Höhe auf den Ball, und zwar ziemlich weit vorn.

Trotzdem hatte Hertha schöne, sogar einige begeisternde Spielzüge. Für einen Sieg hätte es aber etwas Besonderes gebraucht, man spürte, dass innerlich das Unentschieden als hinreichend galt. Mit seinen späten Einwechslungen gab Pal Dardai dann auch noch das offizielle Signal dafür. Er nahm Maier vom Feld, und ließ Lustenberger drauf.

Zugleich verwies dieser späte Wechsel, bei dem auch noch Mittelstädt kam, auf einen interessanten taktischen Aspekt. Hertha spielt derzeit mit zwei Spitzen und einem reichhaltigen Mittelfeld. Was fehlt, ist das Flügelspiel. Das hat auch mit Abwesenheiten zu tun (Dilrosun, Leckie). Und mit einer Überzahl: wenn Duda und Grujic fit sind, oder wenn Lustenberger (demnächst vielleicht besser Stark?) aus der Dreierkette nach vorn gezogen wird, dann ist einfach kein Platz für richtige Winger.

Hertha war aber zu Beginn der Hinrunde vor allem wegen dieses Kontraktionsspiels stark: der Ball ging oft durch die Mitte nach außen, und dann in Richtung Strafraum. Nun fehlen die Duos auf den Seiten, Plattenhardt und Lazaro müssen fast alles allein machen, und Selke bereitete als Aushilfswinger einen schönen Treffer für Ibisevic vor.

Die letzten paar Minuten spielte Hertha nominell wieder mit zwei Mann auf den Flügeln, wobei Mittelstädt kaum mehr an den Ball kam, und Kalou ein paar falsche Entscheidungen traf. Man sah aber, dass dies mittelfristig die bessere Variante sein dürfte. Bleibt die Frage, wo man eher einen Mann opfern sollte? Im Sturm wäre das dann entweder Ibisevic oder Selke - beide spielen derzeit auf ihre Art ziemlich gut. Im Zentrum wäre das Grujic, Duda oder Maier - wir erinnern uns, im Sommer begann Duda als Achter neben Maier in einem 3-4-3.

Das sind spannende Fragen, aber sie sind wohl spannend eher für unverbrüchliche Fans. Nächsten Samstag spielt Hertha wieder daheim gegen Wolfsburg. Es wird ein richtungweisendes Spiel. Ob über die Kerngruppe der Fans hinaus jemand davon Notiz nehmen wird? Zweifel sind angebracht.

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