Wie sich die Bilder gleichen! Die U19 von Deutschland hat gestern in Ungarn dem EM-Titel errungen, und es war in jeder Hinsicht eine schöne Wiederholung des großen Triumphs von neulich. Der Unterschied: dieses Mal hatte auch Hertha BSC wesentlichen Abteil, und nicht nur in Gestalt eines schon längst zu einem großen Club weiter gewanderten Talents.
Hany Mukhtar erzielte den entscheidenden Treffer, er spielte insgesamt stark, und kann nun mit einigem Selbstbewusstsein den Konkurrenzkampf um einen Platz in der ersten Elf von Coach Jos aufnehmen. Ich hoffe stark, dass er die großen Sympathien, die ihn gerade aus Berlin begleitet haben, zum Anlass einer Vertragsverlängerung nimmt. Hertha wird ihm sicher eine anbieten, auch müssen, denn er wird Angebote bekommen. Es wäre toll, wenn er sich hier weiterentwickeln könnte.
Unter den Enthusiasten, von denen ich in den digitalsozialen Netzwerken so beobachte, wie sie mit Hertha leben, tauchte in den letzten Tagen der Begriff der Hany-Cam auf. Soll heißen: viele von uns haben diese EM intensiv verfolgt, nicht nur, weil sie gut in die dürre Zeit zwischen den Saisonen gepasst hat. Sondern weil sich da auch bald abzeichnete, dass man einer sehr starken Mannschaft bei der Findung eines Stils zuschauen kann. Und Hany Mukhtar ist absoluter Stammspieler, obwohl er auch Phasen hatte, in denen er nicht so stark zur Geltung kam.
Über die Distanz des ganzen Turniers aber hat er sich durchgesetzt, als sehr flexibler Offensivspieler, der links wie rechts spielte, immer wieder auch ins Zentrum ging, und im Endspiel war er im entscheidenden Moment sogar Mittelstürmer: einer, der im Fünfer auf den kurzen Pfosten geht, und eine Hereingabe von rechts irgendwie über die Line bringt (Knie? Schienbein? egal!). Er war auch sehr gut im Spiel gegen den Ball, und gerade damit passte er hervorragend in die Gruppe.
Denn nach dem Serbien-Spiel zeigte Deutschland ein Maß von Spielkontrolle, das doch ziemlich einschüchternd war. Gelassenes Dominanzspiel im Wissen darum, dass fast jeder etwas Relevantes beisteuern kann. Deswegen auch diese Mischung aus Explosivität und Routine, an die ich mich bei Mukhtar erst ein wenig gewöhnen musste, der auch viele geduldige Ablagen nach hinten spielte, der nicht immer sofort die Lücke nach vorne suchte, der aber an vielen interessanten Punkten auftauchte. Seine Physis, sein Stil, seine Spielbeteiligung erinnern ein wenig an Iniesta - ein großes Vorbild, aber wir leben doch ständig mit dieser Abbildung des Fußballs der Giganten auf den, dem wir näher sind.
Und so verlangt niemand von Mukhtar, dass er ein neuer Iniesta wird, sondern wir hoffen allenfalls, dass Hertha ihm die Bedingungen bietet, etwas aus sich zu machen, das auch den Club voranbringt - und in diesem Fall ist zu hoffen: nicht finanziell, sondern sportlich. Und dass Hany Mukhtar sich diese Bedingungen bieten lässt. Vielleicht auch mit Blick auf die vielen Fans, die er hier hat, und zwar nicht erst seit ein paar Tagen.
Was alles passieren kann, wissen alle Beteiligten nur zu gut. Aber der junge Mann hat nun schon einen Titel, und keinen nebensächlichen. Ob der noch zur alten Saison gehört, oder schon zur neuen, ist nebensächlich, denn Hany Mukhtar hat allen Grund, nun täglich mit jenem Grinsen zur Arbeit zu gehen, von dem Manuel Neuer nach dem Sieg in Rio sprach: das Grinsen eines Siegers, der morgens nicht mit dem falschen Fuß aufsteht, sondern mit dem Wissen, ein Champion zu sein. Abheben kann er dann auf dem Platz.
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