Hinter Baku die Steppe

Vor zwei Jahren war ich einmal ein paar Tage in Baku. Eine windige Stadt mit protzigen Hochhäusern. Man spürt die Einseitigkeit des Reichtums. Von Europa ist Aserbaidschan weit entfernt, die relevanten Bezugspunkte sind Istanbul, Moskau und Teheran. Hinter Baku kommt dann schon das Kaspische Meer, und Turkmenistan, ein Steppenstaat. In Baku fand gestern das Finale der Europa League statt. Arsenal war schon am Samstan angereist. Chelsea kam erst am Dienstag, als wollte man die Sache kurz und schmerzlos hinter sich bringen.

Chelsea gewann mit 4:1, und bescherte Arsenal eine der bittersten Stunden in einem nun doch schon ziemlich lange fortschreitenden Niedergang. Das Finale war nur eine halbe Stunde lang offen. Danach verlor Arsenal das Momentum, hielt noch bis zur Pause dagegen, in der zweiten Halbzeit zerlegte die Dreieroffensive Hazard-Giroud-Pedro die Fünferkette von Arsenal.

Taktisch ging es immer um die Frage, wer Dominanz auf den Außenbahnen schafft. Emery entschied sich dafür, Maitland-Niles und Kolasinac große Verantwortung aufzubürden. Das ging eine Weile gut, beide kamen in aussichtsreiche Positionen, aber Kolasinac schafft sich mit seinen Läufen Möglichkeiten, für die ihm dann alles fehlt: Technik, fußballerische Intelligenz, Intuition. Seine letzten Pässe sind sehr oft von großer Sinnlosigkeit.

Maitland-Niles wurde zum negativen Mann des Spiels. Er hatte häufig Schwierigkeiten mit dem Positionsspiel, der Elfmeter, den er verschuldete, war direkter Ausdruck seiner vielen Verspätungen. Er ist zweifellos einer der interessantesten Spieler bei Arsenal, im Grunde aber ein typischer Wenger-Profi: er wird vielleicht nie "fertig" werden.

Der andere Spieler des Spiels war früher einmal bei Arsenal: Olivier Giroud zeigte sich als Mittelstürmer der Extraklasse. Hazard wird sicher in allen Berichten hervorgehoben werden, sicher auch zu Recht, aber Giroud fügte alles zusammen.

Bei Chelsea lieferten die Schlüsselspieler in einem entscheidenden Spiel. Bei Arsenal verursachte Aubameyang den vierten Gegentreffer, er beendete damit ein Spiel, zu dem er wenig beitrug. Das Signalbild aber lieferte Mesut Özil: bleich verließ er in der 77. Minute den Platz für Willock, er wurde später noch einmal auf der Reservebank gefilmt, ein Haufen Elend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sich von diesen Bildern noch einmal erholt. Arsenal wird ihm noch zwei Jahre ein bedeutendes Gehalt zahlen müssen, wenn sich nicht eine Transferlösung findet, die dann wohl nur in der Türkei oder in einer Scheichwelt zu finden sein wird.

Heute ist nicht der richtige Tag, um die Grundsatzfragen zu diskutieren, die absolut unvermeidlich sind. In einem normalen Club müsste über Unai Emerys erste Saison diskutiert werden. Arsenals Saison war de facto Anfang April vorbei, mit der Niederlage gegen Everton begann eine Phase, in der das Team nur noch erschöpft durch den Bewerb wankte. Dass selbst so noch bis kurz vor Ende ein Platz unter den Top 4 in England möglich war, und dass das EL-Finale erreicht wurde, spricht meines Erachtens dafür, dass die EPL dieses Jahr hinter den Top 2 ziemlich matt war, und dass die Europa League nicht wirklich ernst zu nehmen ist.

Arsenal steht vor einem wegweisenden Transfersommer, mit einem Trainer, dessen Strategien im Lauf der Saison zunehmend unklarer wurden, mit einer Clubführung (Raul Sanllehi), die bisher nichts weiter zuwege gebracht hat, als Sven Mislintat zu vertreiben, und mit einem amerikanischen Besitzer, den außer seinen Renditen nichts interessiert. Dass er nun Geld zuschießen soll, wie viele Fans fordern, wäre aber der verkehrte Weg. Arsenal hat nach wie vor gute Voraussetzungen. Der Weg zurück in die Elite, wenn er denn überhaupt denkbar ist, muss aus den eigenen Möglichkeiten heraus gestaltet werden: ein Vorbild könnte dabei ausgerechnet der Erzrivale sein.

Tottenham ist derzeit dort, wo Arsenal vor zehn, zwölf Jahren war, nach dem Auszug aus Highbury. Außer dem Stadion ist bei Arsenal derzeit aber alles in Richtung Mittelmaß gerichtet. Bei Tottenham hingegen könnte der "overstretch" am Samstag noch zu einem historischen Moment führen.

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