Höhenkoller

In England spricht man vor großen Aufgaben gern von einem Hügel, den es zu erklimmen gilt. Arsenal hat gestern auf den sowieso schon großen Hügel, den der FC Bayern in der CL darstellt, noch zwei Auswärtstore draufgeschüttet, erzielt von Kroos und Müller. Eine Wiederholung des Vorjahresergebnisses in München würde reichen, um dort in die Verlängerung zu kommen - doch war mag daran bei einer Mannschaft glauben, die so offensichtlich in ihren und den Mustern ihres Trainers verhaftet ist. Es war eine Nacht, die von Beginn an von unglücklichen Entscheidungen geprägt war. Arsenal begann gut, aber dem Elfmeter, den Özil schon früh zugesprochen bekam, war eine nicht erkannte Abseitsstellung vorangegangen. So etwas muss man normalerweise mitnehmen, wenn man gegen die übermächtigen Bayern eine Chance haben will, doch der zaghafte Özil lud Neuer mit seinem Nichtanlauf ein, ihn zu blamieren. Seit Wochen bietet der größte Star von Arsenal ein Bild des Jammers, jede Großaufnahme verlangt eigentlich nach der Sprechblase: "Ich bin unglücklich." Nach einer guten halben stunde trat Boateng Gibbs aus dem Spiel, der Referee verzichtete aber aus unerfindlichen Gründen auf eine zweite gelbe Karte. Die erste war natürlich, nimmt man die Abseitsstellung von Özil als Grundlage, unberechtigt, für das Foul aber zu geben. Wir haben hier also ein sehr schönes Beispiel für die paradoxe Salomonik, die sich in solchen Spielen immer wieder ergibt. Kurz vor der Pause erkannte Robben dann eine Lücke, Koscielny wurde von Mandzukic gesperrt, Robben war durch, Sczeszny holte ihn von den Beinen. Arsène Wenger sprach später davon, der Niederländer hätte "the most if it" gemacht. Aber es war ein eindeutiges Foul in der Position des letzten Mannes. Die rote Karte war hart, aber regelkonform. Sie "tötete" das Spiel, "it killed the game", damit hat Wenger recht, auch wenn Alaba den Elfmeter nicht verwerten konnte. Sczesznys Ausschluss tötete das Spiel, und nicht nur Arsenal-Fans werden sich an die rote Karte gegen Jens Lehmann im Jahr 2006 erinnern, die damals ein "Champions League"-Finale tötete, das dann noch eine Weile recht lebendig weiterging, bevor Barcelona sich dann doch durchsetzen konnte. Aus dem Emirates sahen wir gestern eine groteske zweite Hälfte, in der Arsenal mehr oder weniger in leichtem Trab das Ballgeschiebe des FC Bayern in die Schranken wies. Zwei Tore nach Vorbereitung von Lahm gab es aber doch, es reichte eine mäßig inspirierte Darbietung des Favoriten, weil Bayern eines wirklich kann: Lücken zu spüren, zu erlaufen. Es sind kleine Lücken, die in Sekundenbruchteilen zu klaffenden Unterschieden werden. In drei Wochen darf Arsenal, nun schon aus nahezu aussichtsloser Position, noch einmal einen Anlauf nehmen. Doch insgesamt muss man sagen, dass sich die Mythologie dieser Mannschaft wieder einmal durchgesetzt hat: Sie verbindet gute Ansätze verlässlich mit Pech und Unvermögen. Die taktischen Erkenntnisse über das Spiel von Dienstag sind natürlich begrenzt. Der Ausschluss von Sczeszny hat die Situation einfach zu sehr bestimmt. Davor war allerdings deutlich zu sehen, dass die Defensive des FCB durchaus angreifbar ist. Allerdings war die Defensive von Arsenal um diesen einen vertikalen Lauf von Robben angreifbarer. Arsenal wird sich sicher bemühen, ein anständiges Rückspiel hinzukriegen. Jetzt noch Hoffnungen zu hegen, ist allerdings Pflichtübung. Ohnehin ist der Kader insgesamt nicht gut genug besetzt, um drei Bewerbe stark spielen zu können (gestern bot Wenger Yaya Sanogo als Stürmer auf, einen jungen Franzosen in seinem erst zweiten wichtigen Spiel). Die spannende Situation in der Premier League bietet mehr Anlass zur Hoffnung, doch eigentlich gibt es bei Arsenal, wie ich die Mannschaft seit zehn Jahren kenne, die Gewissheit: Irgendwas passiert immer. Irgendwas geht schief.'

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