„Leckere Burger und Beats von DJ Ferry“ gab es am 2. Oktober 2022 bei Hertha BSC. Ingo Schiller, der langjährige Geschäftsführer Finanzen, nahm seinen Abschied. Der entsprechende Bericht dazu auf der Vereinshomepage lässt alles sehr harmonisch wirken, es wurde sogar das Tanzbein geschwungen. Wir müssen davon ausgehen, dass das alles nur schöner Schein war. Denn Ingo Schiller war der Architekt des „Sanierungsfalls“, den Hertha BSC aktuell darstellt. Und man kann es nur als eine absolut dreiste Unverfrorenheit sehen, dass Ingmar Pering, fünfzehn Jahre lang Mitglied des Präsidiums von Hertha BSC, nun den aktuellen Präsidenten Kay Bernstein angreift und ihn in einen fragwürdigen Plural einbindet: „In der Frage der Finanzen haben wir katastrophal versagt.“ Das stimmt klarerweise so, trotzdem wäre zu klären, wer genau „wir“ ist in diesem Satz.
Am Tag der Mitgliederversammlung steht Hertha BSC so schlecht da wie seit langer Zeit nicht mehr. Nach der Niederlage gegen Köln kann der Abstieg in die zweite Liga nur noch durch ein kleines Wunder abgewendet werden. Darüber hinaus steht die Lizenz für den Bundesligaspielbetrieb in Zweifel, ja es ist sogar unklar, ob die aktuelle Eigentümersituation den Regularien der DFL entspricht.
Dass Hertha nach dem Einstieg von Lars Windhorst (genauer gesagt: eines seiner vielen Investitionsvehikel) und dem Zufluss von rund 370 Millionen Euro seit 2019 in einer desaströsen finanziellen Verfassung ist, hat eine Geschichte, die in hohem Maße aufklärungsbedürftig ist. Im groben Umriss ist die Sache aber erkennbar: Hertha stand nach dem Ende der Zusammenarbeit mit KKR schon sehr schlecht da. Mit Windhorst fand Ingo Schiller einen Partner, mit dem ihn ein Talent verband: bilanzakrobatisch Schulden vor sich her zu schieben. Trotzdem ist im Detail zu klären, warum Hertha in der Pandemie-Zeit so besonders dramatisch zu einem Fass ohne Boden wurde. Im Grunde gehört Ingo Schiller vor einen Untersuchungsausschuss, leider gibt es ein solches Gremium vereinsrechtlich nicht.
Zur Frage der Lizenz und zum 50+1 ist die Sache de facto auch klar. Hertha BSC hat schon durch die Vereinbarungen mit Tennor den Sinn der DFL-Regelungen hintertrieben und für meine Begriffe auch umgangen – juridisch mag man das anders darstellen können, man muss sich aber nur das Transferfenster im Winter 2020 (Tousart, Piatek, Cunha, Ascacibar) ansehen, um deutlich zu erkennen, dass hier unter dem Druck des Investors gehandelt wurde. Inzwischen wurde mit 777 eine Lösung gefunden, bei der Hertha in einem Ausmaß die Hände gebunden waren, dass die Details natürlich unter Verschluss bleiben müssen. Auch hier war es Ingo Schiller, der mit dem Trick der beiden gespiegelten KGaAs eine „Lösung“ fand, die nun konsequent bis zum Ende einer völligen Auslieferung gebracht werden muss. Wobei das Interesse von 777 ja nicht sein kann, einen toten Verein auszubluten – es gibt zumindest im Moment eine klare Übereinstimmung der Interessen von Investor und Verein. Das war bei Windhorst schon deswegen nicht immer der Fall, weil der von Fußball keine Ahnung hatte.
Hertha hat im Moment also so viele Flanken offen, dass die DFL an ihr ein Exempel statuieren könnte. Das wäre allerdings auch wiederum heuchlerisch angesichts der zahlreichen Biegungen und Beugungen des Regelwerks, national wie international. Ich persönlich würde die 50+1-Regel aufheben, aber einen rigiden Kriterienkatalog für „satisfaktionsfähiges“ Kapital einführen. In einer paar Stunden, nach der Mitgliederversammlung, wissen wir schon ein bisschen mehr. Ingmar Pering aber soll zu Hertha ein für allemal schweigen – außer, im alleräußersten Fall, vor Gericht.
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