Italienische Verhältnisse


Die WM ist vorbei, die Clubteams trainieren Ausdauer, Hany Mukhtar konnte dem zweiten Spiel der deutschen U19 in Ungarn nicht gerade seinen Stempel aufdrücken. Mit einem Wort: Wir haben "langsame Nachrichtentage", slow news days. Zeit für ein gutes Buch. Während des Turniers in Brasilien habe ich mit einigem Vergnügen Piagnolia von Matthias von Arnim gelesen, einen Roman über die Fußball-Weltmeisterschaft von 1934. Die fand in Italien statt, unter der Herrschaft des Faschimus, und endete mit einem Titel für - Italien! Ma come no!

Zu dem Thema gibt es seriöse Forschung vor allem von dem Sporthistoriker Marco Impiglia, der schlüssig nachgewiesen hat, dass die Manipulationen nicht direkt auf Mussolini zurückgingen, dass der Titel aber auf jeden Fall durch Eingriffe instruierter Schiedsrichter erreicht wurde. Matthias von Arnim, der eigentlich Anlageberater, Journalist, Texter und Trainer (nicht von Fußballteams) ist, hat rund um die verschobene WM von 1934 nun eine hübsche Fiktion gesponnen, die den Geist eines Don Camillo oder der Filmkomödien von Mario Monicelli atmet.

Im Mittelpunkt steht ein Dorf bei Florenz, das es nicht gibt: Piagnolia. Hier treffen alle wesentlichen Protagonisten aufeinander: ein italoamerikanischer Sportjournalist, ein Heimkehrer aus der libyschen Kolonie, ein Dorfpfarrer, ein Schürzenjäger mit einer Schwäche für Wetten. Dieser Filotti bekommt im Verlauf der Geschichte eine entscheidende Rolle zugewiesen, die er dann aber eher passiv interpretiert. Das zeugt von der Intelligenz, mit der Arnim mit den Fakten umgeht, die er überraschend wenig verbiegen muss.

Die große Intrige läuft auf der Ebene der Funktionäre ab, vor allem der faschistischen Erfüllungsgehilfen, denen die Menschen von Piagnolia schließlich einen großen Streich spielen: Mit geborgtem Geld von den Großgrundbesitzern mischen die Leute um Pater Corello den Wettmarkt auf und lassen nebenbei den Versuch zuschanden gehen, die WM zur faschistischen Budgetsanierung zu missbrauchen.

Die Figur, die am ehesten noch Sand ins dubiose Getriebe des erfundenen Duce-Handlangers Vittorio Briccone streuen könnte, ist übrigens der Trainer des österreichischen Wunderteams, Hugo Meisl, dem Arnim zwei gute Kapitel widmet. Alles in allem ist Piagnolia ein Roman, den man durchaus auch mit einigem Gewinn an Wissen lesen kann - anderswo hätte ich vermutlich nie erfahren, dass damals eine Flugverbindung zwischen Genua und New York bestand, die mit einem Flugzeug betrieben wurde, das auf dem Wasser landete!

Matthias von Arnim: Piagnolia. Roman, Verlag Die Werkstatt 2013

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