Kalte Füße

Es war wohl ein wenig naiv, wie ich am Abend vor der Fahrt nach Nürnberg meiner Vorfreude Ausdruck verliehen habe. Was ich dabei nicht bedacht hatte, war, dass in Deutschland gerade Winter ist (das Wetter war dann fies, nasskalt, grau).
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Außerdem hatte ich Erwartungen an den neuen Trainer. Ich rechnete nämlich damit, dass er etwas Neues probieren würde - doch das erwies sich als Irrtum, es gab "more of the same", allenfalls die Formation war ein bisschen anders, aber die Auswirkungen blieben gering. So ergab es sich, dass Hertha auch das zweite Auftaktspiel gegen Nürnberg verloren hat, bei insgesamt ein bisschen besserer Leistung, dafür aber doppelt so hoch: 0:2 durch Treffer von Esswein und Maroh. Es war das eintausendste Spiel des "Clubs", der nun Hertha überholt und in den Abstiegskampf geschickt hat.
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Michael Skibbe scheint tatsächlich der Meinung zu sein, dass bei Team Hertha alles okay ist. Sonst hätte er sich vielleicht zu mehr Änderungen veranlasst gesehen als der unumgänglichen, einen Ersatz für den gesperrten Raffael (Ronny) und für den verletzten bzw. nicht mehr unangefochtenen Mijatovic (Janker) zu nominieren. Niemeyer blieb neben Ottl in der Doppelsechs, Ramos spielte zumeist in einem 4-4-2 neben Lasogga, dann ging Ronny auf den Flügel. Er blieb überall ohne Wirkung und wurde schon zur Pause durch Ben-Hatira ersetzt, der ein bisschen mehr zeigte, ohne aber wirklichen Einfluss auf das Spiel zu nehmen.
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Kurz vor Halbzeit hatte Esswein ein wenig gegen den Trend die Führung für Nürnberg erzielt, in der zweiten vereitelte Kraft dann noch eine Größtchance von Pekhart, während Hertha nur einmal wirklich für Aufregung bei den Clubberern sorgen konnte. Ein später Treffer nach Freistoß aus dem Halbfeld brachte schließlich die Entscheidung.
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Die Niederlage ist bitter, weil sie wenig Optionen für Veränderung lässt (außer der, auf die Rückkehr von Raffael zu warten). Das zentrale Problem von Hertha ist, dass sie auch im ersten Spiel unter Skibbe nicht genau wusste, wie und wo sie die Initiative ergreifen sollte. Während Nürnberg zumindest eine passable Balleroberung betrieb (10,7 Kilometer Unterschied bei der Laufdistanz wirken sich eben aus, Nürnberg hatte 124,7 gegen 114 von Hertha), blieb dieses wichtigste Grundelement des modernen Fußballs bei Hertha planlos.
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Und man kann sich durchaus fragen, was eine Massierung im zentralen Mittelfeld durch den wie immer absolut phlegmatischen Ottl und den schon nach zehn Minuten durch drei Fouls aufgefallenen Niemeyer eigentlich bringt, wenn dann im entscheidenden Moment vor der Pause nur Ramos in der Nähe des auf Strafraumhöhe nach innen ziehenden Esswein ist. Nürnberg war keineswegs brillant, hatte aber doch so etwas wie eine Spielanlage, während bei Hertha der Zufall reagierte.
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Zu den mangelnden Spielimpulsen aus der Zentrale kam schwaches Flügelspiel (Lell und Kobiashvili wurden gut neutralisiert), und so war das bis auf zwanzig Minuten in Halbzeit eins eine Niederlage, gegen die sich niemand wirklich wehrte (außer vielleicht Hubnik, der aber zweimal unglücklich vergab).
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Noch ein paar Worte zum Atmosphärischen: Der "Club", immerhin eine der großen Traditionsmannschaften der Liga, hat ein eher zugiges, zusammengeschustertes Stadion, das, was als "Hymne" eingespielt wurde, ist üble Castingshow-Sauce, dass man jede Ecke wie ein Großereignis vermeldet, wirkt auch ein wenig seltsam. Eigenartig war, dass die Hertha-Fans gestern eher zurückhaltend blieben, sie waren aber auch in einen Winkel gezwängt, von dem aus sie nicht allzuviel mitbekommen konnten. Insgesamt gilt: been there, done that, muss ich nicht mehr so bald haben (obwohl ich gut saß, fast Mittellinie, bester Überblick). Heute nun Großspieltag in der Premier League - oh, how I miss the familiar voices of Jon Champion, Martin Tyler and the likes!

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