von Marxelinho

Kampfmodus ist kein Schweinkram

Pal Dardai hatte die Öffentlichkeit ein wenig irregeführt vor dem Auswärtsspiel in Darmstadt. Er sprach von einer "Umstellung auf Kampfmodus", die gegen die Aufsteiger aus dem Hessischen erforderlich war. In Wahrheit muss Hertha in dieser Saison kaum einmal auf ein kämpferisches Spiel umstellen, dieser Aspekt des Fußballs wird mehr oder weniger vorausgesetzt, die Frage ist immer, ob sich darauf noch etwas aufbauen lässt. In diesem Fall waren es vier Tore und unter dem Strich ein äußerst souveräner Auswärtssieg. Gegen eine Mannschaft, die in mancherlei Hinsicht wie ein Panzer wirkte, den Hertha in diesem Sommer abgestreift hat.

Auch personell. Peter Niemeyer, von dem eine berühmte Selbstdefinition als "Kampfschwein" stammt, Sandro Wagner, der sich heute als solches betätigte, und Fabian Holland, dem das Spiel auf der linken Defensivseite ein paar Mal um die Ohren flog - als man den dreien zwischen den Saisonen die Tür wies (anders kann man es nicht sagen), war noch keineswegs abzusehen, dass sie auch (indem sie nicht mehr daran teilnahmen) für einen so deutlichen Neubeginn stehen würden, wie ihn Hertha in diesem Herbst und Winter hinbekommen hat.

Ich habe das Spiel auf dem Rechner gesehen, auf Sky Go, in einer legalen Übertragung, mit kleinem Bild. Große Analysen braucht es gar nicht, bei den niedrigen Tribünen, die es in Darmstadt offensichtlich gibt, hätte ich live wahrscheinlich sowieso nicht so gut gesehen. Die Romantik von Höhenflügen wie dem des SV Darmstadt 98 hat als Kehrseite gern einmal nahezu unbespielbare Plätze. Es sah jedenfalls sehr mühevoll aus, wie die Herthaner mit holprigen Pässen ein bisschen Spiel aufzuziehen versuchten. Es reichte gerade einmal für eine Kombination, die allerdings hatte es in sich: Weiser kam rechts an die Grundlinie, seinen Stangelpass verwertete Ibisevic mit dem typischen Stürmerinstinkt. War da ein Foul dabei? Niemand reklamierte, der Zweikampf sah aber ein wenig zweideutig aus.

Der zweite Treffer war eine Rarität, seit Ronninho nicht mehr zum engeren Kreis zählt: ein direkt verwerteter Freistoß. Schütze: Marvin Plattenhardt. Ein weiteres Detail des zunehmenden Variantenreichtums bei der selbstbewussten Hertha im Dezember 2015, wie auch die Kopfballvorlage durch Brooks nach Ecke, verwertet durch Ibisevic gleich nach der Pause. Damit waren die wackligen zwanzig Minuten am Ende der ersten Halbzeit, als es viele Freistöße für Darmstadt, aber keine echte Chance gab, durchgestrichen.

Das Spiel wurde der Ordnung halber zu Ende gebracht, Kalou nützte noch einen Durchbruch zum vierten Treffer, womit nun auch die Tordifferenz erfreulich deutlich über der Neutralitätsgrenze liegt. Hertha hat einen Gegner, der als schwierig eingeschätzt worden war, mehr als eindeutig hinter sich gebracht, und dabei auch mehr als nur ein schnödes 1:0 (wie gegen Ingolstadt, Hoffenheim) geschafft.

Das ist alles höchst merkwürdig, vor allem deswegen, weil die Mannschaft es schafft, das ganz normal aussehen zu lassen. Zwei Spiele noch vor Weihnachten, die dazu dienen könnten, eine Grundlage für 2016 zu legen, die mehr als vielversprechend wäre. Denn bei besseren Platzverhältnissen und angesichts eines Kaders, der sogar noch unausgeschöpfte Potentiale (Ben-Hatira, Stocker, Baumjohann, Schieber, Cigerci) enthält, sollte sich diese Ausgeglichenheit (niemand ragt deutlich heraus, niemand fällt ab) durchaus im Niveau konsolidieren lassen. Eine Rückrundendepression, wie vor zwei Jahren, müsste sich schon sehr fies anschleichen, und sie könnte sicher nicht den Trainer als "Herd" nehmen.

Denn Pal Dardai ist nach wie vor das positive Denken in Person. Er spricht Klartext, aber immer mit Hintersinn. Und er wird sicher noch oft mit Hertha über den Kampf ins Spiel finden. Und vielleicht sogar immer noch besser.

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