Klare Sache

Das Spiel kam ein bisschen zu früh für Arsenal - das war verschiedentlich zu lesen nach dem 1:3 im Auswärtsspiel gegen den FC Liverpool gestern. Dritte Runde der Premier League, für viele Arsenal-Fans auch dritte Runde einer neuen Zeitrechnung. Denn der Transfersommer hatte manche ein wenig euphorisch werden lassen. Gegen die Mannschaft von Jürgen Klopp gab es auch das eine oder andere Hoffnungszeichen. Aber insgesamt war die Sache klar.

Im zweiten Jahr unter Unai Emery ist Arsenal von seiner einstigen Identität in Spitzenspielen doch ziemlich weit entfernt. Es hatte phasenweise groteske Züge, wie stark Liverpool zupacken konnte. Teilweise war das fast schon Grundlinienpressing. Der junge Spanier Dani Ceballos, für ein Jahr von Real Madrid ausgeliehen, wurde im Grunde an der Cornerfahne von ein paar Roten gestellt, und spielte in der Not einen Querpass auf den eigenen Elferpunkt, wo Mané nicht scharf genug verwertete.

Bis zu einem gewissen Grad war das extrem hohe Pressing von Liverpool aber auch durch die Taktik von Arsenal gewollt. Emery hatte nominell ein 4-3-3 gewählt, de facto war es ein 5-3-2, weil Guendouzi hinten rechts häufig neben Maitland-Niles gebunden war. Wie der Ball vom eigenen Sechzehner zu den (notabene: schnellen) Spitzen Aubameyang und Pepe kommen konnte, das wurde zwar ein paar Mal vorexerziert. Zu einem Tor reichte es aber nicht.

Kurz vor der Pause traf Matip nach einem Corner per Kopf. Es war eine Strafraumszene, die man gern in Superzeitlupe aus allen Winkeln studieren würde, denn es zeigte perfekt, wie sehr es bei Eckbällen auf Zentimeter ankommt - sowohl in Sachen "delivery", als auch beim Springen und Ringen. Das sind dann wirklich Durchsetzungsszenen, und Liverpool hat mit van Dijk da jemanden, der für Matip auch Raum schafft.

Die entscheidenden Gegentore nach der Pause gehörten David Luiz, neu verpflichtet von Chelsea. Besonders das dritte war für einen erfahrenen Profi eine Blamage, denn sich so nahe an der Mittellinie ohne Rückversicherung so unbedacht in einen Zweilkampf mit Mo Salah zu werfen, zeugt von wenig Verstand.

Dabei war Luiz ja ein entscheidendes Puzzlestück bei den Sommer-Bewegungen. Denn wenn man die Zugänge auf einen Nenner bringen wollte, wird deutlich, dass genau das taktisch Profil von gestern dabei im Hintergrund stand: Arsenal verzichtet auf das Spiel, will nur seine schnelle Frontlinie in gute Positionen bringen. Dafür steht auch Kieran Tierney (noch verletzt, aber so etwas wie ein Kolasinac mit besserem letzten Pass), dafür steht natürlich Rekordtransfer Pepe (gestern mit einer Großchance, bei der er einen anderen Spielverlauf in den Beinen hatte).

Mesut Özil spielt in diesen Plänen derzeit wieder einmal keine Rolle. Er war gestern nicht im Kader. Es sieht danach aus, dass Arsenal ihm deutlich zu verstehen gibt, sich mit dem Kontakt nach Washington seriös zu beschäftigen. Mit Ceballos steht sein Vertreter für diese Saison bereit, der junge Joseph Willock deutete gestern an, dass er ein neuer Ramsey werden könnte.

Bleibt die Frage der defensiven Stabilität. Mit der gestrigen Taktik hat Arsenal immerhin eine Waffe von Liverpool ausgeschaltet: hohe Bälle hinter die letzte Linie waren zuletzt oft gefährlich gewesen, das ging dieses Mal nicht, dazu stand Arsenal zu tief, erst nach dem 0:2 gab es Räume für Salah.

Für meine Begriffe fehlte Arsenal gestern auch ein Leader: Sokratis ist dafür zu einfältig, David Luiz fremdelte sichtlich, und Xhaka, der neue Kapitän, machte sich erst bemerkbar, als es schon 0:3 stand. Klopp hat viel Geld in eine absolute Säule investiert, und neben van Dijk wird nun auch Matip besser, dazu kommt mit Fabinho eine Reihe davor gleich eine weitere Säule. Bei Arsenal fehlt die Staffelung in der Mannschaft. Xhaka hätte da eine große Aufgabe, ich fürchte, auch ihm fehlt da etwas Entscheidendes: als Arsenal-Kapitän halte ich ihn für eine Notlösung. Es hat etwas Beunruhigendes, wie lange er diesen neuralgischen Posten jetzt schon mit genau der Qualität besetzt, die ihn immer wieder vor einem Austausch bewahrt, die aber doch im entscheidendem Bereich mangelhaft ist. Eine Art Niko Kovac (Spieler) auf etwas höherem Niveau.

Nächste Woche geht es jetzt gleich zu Tottenham. Das wird sicher ein offeneres Spiel. Das Rückspiel gegen Liverpool findet dann erst im Mai 2020 statt - in England ist der Spielplan auch ein Spektakel.

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Kommentare

Kommentar von Jörg |

Gestern war ich im Stadion. Momentan macht es mir Spaß, die Mannschaft spielen zu sehen, auch wenn die Punkte nicht gemacht werden. Die Punkte werden durch fehlende Zuordnung in der Defensive abgegeben, sowohl in der Innenverteidigung als auch im defensiven Mittelfeld. Solange ich aber nicht das Gefühl habe, Hertha spielt wie ein Absteiger (so wie vor ein paar Spieltagen) offensiv ohne Durchschlagskraft und ohne Möglichkeit, sich auf den Gegner einzustellen, solange macht mir die Mannschaft mit ihren Offensivzügen und Einzelkönnern (Dilrosun, Lukebakio, auch Kalou hatte gestern starke Solos) gerade Spaß. Ich rege mich sehr auf über die Bücke im Defensivbereich und freue mich sehr über die Juwelen in der Offensive. Ob wir so Europa erreichen, das bezweifle ich aber leise :-)

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