Morgen spielt der Arsenal FC auswärts gegen Slavia Prag um den Einzug in das Halbfinale der Europa League 2021. Das Hinspiel in London endete 1:1. Arsenal braucht also ein Tor, hat aber auch den - in meinen Augen - Vorteil, dass Slavia kein weiteres Auswärtstor mehr erzielen kann. Die Umstände des einen, das vergangenen Donnerstag sehr spät fiel, will ich hier wieder einmal in einem Sekundenprotokoll aufschreiben.
Diese Form erscheint mir besonders geeignet, meine derzeitige Erfahrung mit dem Fußball zu dokumentieren. Ich sehe nämlich zunehmend mehr das Chaotische, das Zufällige, das absolut Willkürliche an diesem Spiel. Alle Bemühungen, Spiele zu entziffern und Ergebnisse aus implizite Rationalität hin zu analysieren, finden nach wie vor mein Interesse und meinen Respekt. Aber ich finde, dass gerade in einer Zeit, in der die Sender zum Beispiel den Faktor Expected Goals zunehmend einbeziehen, auch deutlicher wird, dass Fußball ein Spiel des Unerwartbaren und Unableitbaren ist. Wobei bei Arsenal durchaus auch eine Kultur des erwartbaren Versagens zu erkennen ist.
Das Protokoll geht so: Arsenal ist spät in der 86. Minute durch Pepe in Führung gegangen. Das 1:0 wäre eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel in Prag. Arsenal sollte jetzt vor allem kein Gegentor bekommen.
88:00 Arsenal wechselt: Dani Ceballes kommt für Smith Rose. Defensiver für offensiven Mittelfeldspieler.
88:20 Torabstoß Bernd Leno
88:43 Arsenal presst den Keeper von Slavia Prag
89:00 Foul an Ceballos im Mittelfeld
88:33 Elneny spielt den Freistoß kurz zu Bellerin (das Foul hat mehr als eine halbe Minute gebracht)
87:57 Slavia hat einen Einwurf auf der linken Offensivseite
90:00 Die Nachspielzeit wird angezeigt: 4 Minuten
90:10 Slavia flankt von links, Bah köpft über das Tor (keine große Gefahr)
91:04 Torabstoß Bernd Leno (fast eine Minute ist vergangen, Leno kommt mit einer Ermahnung davon)
91:17 Arsenal presst, der Ball verlässt auf der rechten Offensivseite das Feld
91:34 Bellerin wirft ein, es kommt zu einem Hin und Her, Xhaka spielt einen steilen, vertikalen Rückpass, den Gabriel Magalhaes aber gut erreicht, er spielt den Ball nach links zu Cedric Soares
92:00 Cedric Soares sieht keine Option für einen offensiven Pass, und spielt zurück zu Gabriel. Dieser Moment erweist sich als entscheidend: Ausschlaggebend ist auch, dass Cedric Soares (Ersatz für den verletzten Tierney) keinen linken Fuß "hat". Wäre er wie Tierney ein Linker, hätte er vielleicht mit dem freien Raum vor sich etwas angefangen. Den Rückpass verarbeitet Gabriel unsauber. Slavia bekommt einen Einwurf rechts offensiv.
92:24 Aus dieser Situation entsteht, auch aufgrund eines unglücklichen Pressballs von Martinelli, eine Riesenchance für Slavia durch Provod. Leno lenkt den Ball an den Pfosten. Eckball.
92:57 Den gut getretenen Corner verlängert Pepe unglücklich mit dem Oberschenkel zum langen Pfosten, wo Holes sich gegen Cedric durchsetzt. Gegentor.
Man sieht am Beispiel dieser Minuten sehr gut, wieviel leere Zeit da vergeht, während im Grunde eine einzige Verdichtung von Kleinigkeiten reicht, um eine entscheidene Wendung zu bringen. Das Tor für Slavia war keineswegs folgerichtig. Aber Arsenal war im Vorjahr durch ein spätes Tor von Olimpiacos früh aus der Europa League ausgeschieden, hatte also auch etwas im Kopf in Sachen Nachspielzeit.
Am Sonntag gab es dann gegen Sheffield United ein Kombinationstor erster Güte (man könnte fast sagen: ein Stück Wengerball, hätte Arsene Wenger nicht seinen eigenen Mythos durch mindestens drei Spielzeiten zuviel bei Arsenal selbst beschädigt). Lacazette erweist sich in diesem Jahr als der eigentliche Leader der Mannschaft. Deswegen bin ich auch für morgen immer noch optimistisch.
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