Die Zeit zwischen den Jahren brachte für Fans von Arsenal einen interessanten Fall von Deja-vu. Gestern vor einem Jahr gab es ein Derby gegen Chelsea, es war das dritte Spiel unter Mikel Arteta. Das Emirates war voll, Aubameyang besorgte eine frühe Führung, und dann wehrte sich die Mannschaft bis fast zum Schluss heroisch gegen den zunehmenden Druck, es gab dann aber doch noch zwei Gegentreffer. Trotz der Niederlage hatte man das Gefühl, dass mit Arteta etwas beginnen könnte. Im nächsten Spiel schlug Arsenal dann ManU mit 2:0. Später kam Corona, und die Saison endete schließlich enttäuschend mit einem 8. Platz.
Am Boxing Day spielte Arsenal nun wieder gegen Chelsea, also fast auf den Tag ein Jahr später. Das Emirates war leer, und Covid sorgte auch für einen Akzent bei der Aufstellung. Arteta musste auf die drei Brasilianer verzichten: Luiz, Willian, Gabriel. Zu seinem Glück, könnte man vielleicht sagen. Arsenal gewann mit 3:1, und die Protagonisten waren sehr wesentlich junge Spieler: Saka, Martinelli, Smith-Rowe. Dazu Xhaka, der ein sehr schönes Freistoßtor beisteuerte, außerdem aber auch einige exzellente Pässe nach links draußen, er schickte Tierney auf Expeditionen, die fast alle interessant und teilweise auch ertragreich waren.
Die Krise von Arsenal in dieser Saison begann im Grunde schon im zweiten Spiel gegen West Ham, als ein schwergängiges Spiel gerade noch einmal so durch eine gute Aktion von Ceballos und das daraus folgende Tor von Nketiah auf die richtige Seite gebracht wurde. Danach kamen viele unentschlossene, teilweise richtiggehend träge Spiele. Ausnahmen gab es ausgerechnet gegen Manchester United und nun gegen Chelsea.
Gestern gegen Brighton ging es also darum, ob sich auch wieder einmal ein Erfolg bestätigen lassen würde. Es war das ideale Spiel für einen solchen Test, denn Brighton spielt wie fast alle Teams in England einen sehr kompetenten Defensivfußball, und Arsenal hat üblicherweise große Probleme, in solchen Spielen die nötige Dynamik zu entwickeln, um den Gegner zu überraschen.
Das einzige Tor war dann eine mustergültige Situation für ein solches Spiel. Ein vertikaler Pass aus der Viererkette fand den Rechtsaußen Saka relativ tief und eher weiter innen mit dem Rücken zu einem Gegenspieler. Es war also eine Gelegenheit für individuelle Brillanz. Saka nahm den Ball mit einer Drehung so mit, dass er Dan Burn nicht nur überrumpelte, sondern sich auch einen Vorsprung im Laufduell verschaffte. Das ging dann bis an die Sechzehnerecke, wobei Saka dann noch die Ruhe hatte, einen genau dosierten Ball auf den unerwartet freien Lacazette zu spielen, der wiederum fand mit einem satten Schuss exakt die 20 Zentimeter zwischen Pfosten und Brightons Nummer 5 Lewis Dunk, die offen waren. Es war ein Paradebeispiel für eine Beschleunigung fast aus dem Nichts.
Diese Kompetenz ist im heutigen Fußball mit allen seinen großen Talenten überraschenderweise trotzdem Mangelware. Es braucht dafür Spieler, die eben alles mitbringen: das Gefühl für den Raum, sich für diesen Pass anzubieten, und die Intuition, ihn in etwas zu verwandeln. In acht von zehn Fällen dient der Pass von Holding nur als ein Platzhalter, denn er wird fast immer wieder nach hinten abgelegt, und bleibt damit ein Routinemanöver. Saka aber macht daraus einen Unterschied. So zeigt sich ein Unterschiedspieler.
Arsenal hatte in diesem Jahr sehr oft das Problem, dass Arteta nicht genügend von der Sorte fand oder auswählte. Willian, der mit diesem Anspruch verpflichtet wurde, hat bisher enttäuscht. Im zentralen Mittelfeld war Arsenal meistens zu konservativ. Tierney braucht, um selbst einen Unterschied zu machen, einen Partner, den er in Aubameyang bisher nicht fand. Mit dem dynamischen Martinelli über links ist Tierney plötzlich wieder sehr oft in spannenden Situationen, an der gegnerischen Grundlinie oder sogar im Strafraum.
Und Smith-Rowe, auf den ich eigentlich gar nicht so stark gehofft hatte, füllt die große verwaiste Zone einer Nummer 10 auf eine Weise aus, die zu Özils genialen Pässen auch noch eine gute Aggression gegen den Ball und einen großen defensiven Aufwand hinzufügt. Arsenal ist also nach Weihnachten aufgewacht. Nun wird viel davon abhängen, wie sehr die Jungen weiterhin das Vertrauen von Arteta behalten, wie gut sie sich auch körperlich behaupten können. In einer wichtigen Frage hat Arteta gegen Brighton ein Indiz bekommen: Lacazette ist im Moment eher der Spieler, der die Hoffnungsträger führen kann, als Aubameyang.
Arsene Wenger hat früher immer davon gesprochen, dass es dauert, aus einer Aufstellung eine Mannschaft zu machen. Das ist eine Puzzle-Arbeit am beweglichen Objekt. Arsenal hat nun aber doch deutlich die Teile für ein Team beisammen. Es braucht im Winter jetzt gar nicht unbedingt weitere große Transfers, es würde schon reichen, wenn Spieler wie Xhaka und Aubameyang sich ein Beispiel an der Differenzarbeit der Jungen nehmen würden. So wie es zum Beispiel Rob Holding schon seit einer Weile tut, einer der eher unterschätzten Arsenal-Helden dieser Saison. Saka hat ihm dieses Mal den Gefallen getan, einen Pass als Auftrag zu nehmen. Und er hat den Auftrag erst weitergegeben, nachdem er ihn umfassend bearbeitet hat. Die Auslieferung übernahm dann Lacazette.
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Kommentar von Dd. |
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