von Marxelinho

Linksdrall

Die ganze Woche über gab es Geschichten über die Kompaktheit von Hertha 2013 zu lesen. Dann kam am Freitag an einem unangenehmen Winterabend Werder Bremen ins Olympiastadion, schoss zwei Tore, und zwang Hertha dazu, drei zu schießen. Es gab Mängel in der Rückwärtsbewegung, für die der Coach mit der ihm eigenen, weil vermutlich pädagogisch abgesicherten Direktheit einen jungen Mann herausgriff und noch vor der Pause auswechselte: John Anthony Brooks, durch die Verletzung von Langkamp im Team, musste es sich schon zum zweiten Mal in dieser Saison gefallen lassen, dass der Coach das ganze Stadion live wissen ließ, was er von seiner Tagesleistung hielt. Und im Interview nach dem Spiel legte Luhukay sogar noch nach und bezifferte die Zweikämpfe, die Brooks hätte führen sollen, aber nicht führte. Für ihn kam in der 38. Minute Niemeyer, Hosogaj ging wieder zurück zu Lustenberger in die Innenverteidigung, danach war Hertha stabiler.

Es brauchte aber auch dann noch einen späten Moment spektakulärer Geistesgegenwart und Agilität des Veteranen Levan Kobiashvil (81. für Skjelbred), um drei Tore auch mit drei Punkten gleichsetzen zu können. Er holte einen Ball von der Linie, den Thomas Kraft nach einem Werder-Freistoß nur an den Pfosten hatte lenken können, von wo er tückisch zurückprallte, bevor Kobiashvili ihn entsorgte. So konnte Hertha sich am Ende doch belohnt fühlen für eine offensiv ansprechende Leistung, die dieses Mal durch Effizienz geprägt war, also durch jene Qualität, die zuletzt im Olympiastadion gefehlt hatte.

Es ging fast immer über links, wo Skjelbred spielte, wo aber auch der sehr präsente Cigerci immer wieder auftauchte. Es ging fast immer über blitzschnelle Doppelpässe, also über Bewegungsmuster, die trainiert werden, und mit denen die Spieler nach Gelegenheit suchen, sie live einzubauen. Dazu kommt ein Verwerter, der offensichtlich Witterung aufgenommen hat. Anders ist es kaum zu erklären, dass Ramos nun auch die Elfmeter schießt: Er interessiert sich wohl die Torjägerwertung. Sein zweiter Treffer gegen Bremen war "vintage AR", perfekter Antritt in den Strafraum nach fein dosiertem Zuspiel von Skjelbred, umstandsloser Abschluss mit dem linken Fuß - diese Plötzlichkeit macht richtig gute Stürmer aus. Den Siegtreffer nach der Pause bereitete Cigerci vor, den ich aus einer starken Mannschaft (Hosogaj, Lustenberger, Skjelbred, Ramos, auch Ronny) noch einmal herausheben würde, weil sein Spiel inzwischen tatsächlich "taktgebend" geworden ist - er dosiert seine Pässe sehr, sehr interessant.

Hertha hat mit diesem nicht unbedingt super souveränen, aber rechtschaffen erspielten Sieg in einem vergleichsweise offenen Spiel einmal mehr Klischees wiederlegt. Es ist gar nicht so leicht, eine Charakterisierung dieser Mannschaft im Herbst 2013 vorzunehmen. Das hat auch damit zu tun, dass Luhukay ständig umbaut, umbauen muss, und doch schafft er es, dass die Sache verblüffend homogen aussieht. Ronny ist plötzlich wieder da, mit Cigerci konnten wir noch vor sechs Wochen so nicht rechnen, Allagui schaut im Moment nur zu, weil Ndjeng wieder da ist. Lustenberger ist ein "Felsen", aber nicht auf der Position, für die er ursprünglich gedacht war.

Das Team überzeugt derzeit vor allem durch technische Grundqualität, durch (zumeist) sehr gute Staffelung, durch Engagement. So entstehen Situationen, in denen Spieler in die Räume gehen können. Ich schließe mit ein paar Zahlen: 12,77 Kilometer ist Cigerci gelaufen, und es waren keineswegs leere Kilometer, 17 Zweikämpfe hat Ronny gewonnen (Ramos sogar noch einen mehr), 25 Punkte hat Hertha vor dem letzten Hinrundenspiel beim BVB.

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 9 plus 8.