Lisboa, oh Lisboa

Hertha BSC ist im Begriff, wieder einmal ein Talent zu verlieren, bevor es sich so richtig erproben konnte. Hany Mukhtar ist in Portugal schon im Fernsehen zu sehen, es ist ein offenes Geheimnis, dass sich Benfica Lissabon intensiv mit ihm beschäftigt, und es scheint recht eindeutig so zu sein, dass es mit ihm in Berlin nichts mehr wird.

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Bevor wir uns die Sache ein wenig genauer anschauen, ist es vielleicht interessant, einen Blick auf die aktuelle Kicker-Rangliste des deutschen Fußballs zu werfen: Sie enthält in den ersten drei Kategorien keinen aktuellen Herthaner, dafür aber zwei ehemalige: Jerome Boateng und Ibrahima Traoré. Der Fall Boateng ist spezifisch und lässt sich nicht vergleichen, bei Traoré hingegen ist die Sache relativ klar, er wurde hier als zu schmächtig befinden (im konkreten wie im übertragenen Sinn).

Das führt uns zu Mukhtar zurück, von dem Hertha zumindest offiziell bekundet, dass man ihn gern gehalten hätte. Ihn zur Unterzeichnung eines Vertrags zu bewegen, der Ausleihe oder späteren ergiebigeren Verkauf ermöglicht hätte, ist aber nicht gelungen. Auch nicht, nachdem er im Sommer mit viel Lob von der U-19-EM zurückkam, wo er Stammspieler war und das entscheidende Tor im Finale erzielte.

Was hinter den Kulissen vor sich ging, müssen die zuständigen Kollegen recherchieren, die Morgenpost macht auf das Hin und Her mit Mukhtars Beratern aufmerksam. Allerdings ist das von relativer Bedeutung angesichts des evidenten Faktums, dass Mukhtar den ganzen Herbst hindurch in der ersten Mannschaft von Hertha keine Rolle gespielt hat. Und zwar in einer Weise, dass er nicht einmal das Gefühl gehabt haben kann, er nähere sich dieser Mannschaft an.

Es gab einige Gelegenheiten, ihn zu bringen (auswärts in Augsburg, wo Hertha dann ein unfassbar ödes Match spielte), aber der Coach macht ein Argument geltend, das uns an den Fall Traoré erinnern könnte: Stabilität. Wir haben öfter über Mukhtar nachgedacht, wird Luhukay verschiedentlich zitiert, aber das Risiko schien zu groß, ihn in eine Mannschaft zu bringen, der es an Stabilität mangelt.

Das kann man so und so sehen. Hertha war tatsächlich die ganze Hinrunde hindurch bedenklich labil, es gab brenzlige Situationen sonder Zahl, nach Kontern, nach Flanken, nach Standards. Und es gab in allen diesen Spielen keinen einzigen wirklich überzeugenden Auftritt auf der Position, auf der Mukhtar zum Einsatz kommen könnte: im zentralen offensiven Mittelfeld. Stocker hatte eine Weile das Vertrauen des Trainers, weil er gut nach hinten arbeitet, Skjelbred machte sich dann ganz ordentlich, weil er zugleich als 8er arbeitet und sich als 10er versucht. Ronny bemühte sich um Spielteilnahme, kam aber über Ansätze nie hinaus.

Luhukay unterschlägt, dass der Faktor Stabilität auch einen offensiven Aspekt hat. Eine Mannschaft wird stabiler, wenn sie mit dem Ball etwas anfangen kann. Und dafür braucht es Spieler, die sich anspielbar machen, die intelligent in die Räume gehen, die einen Ball halten können. Mukhtar ist vermutlich kein Pressingspieler par excellence, er ist durchaus in der Lage, Bälle zu erobern, allerdings wird das nie seine Hauptaufgabe sein. Er wäre vielleicht, wenn man ihm denn einmal eine Chance gegeben hätte, der Entlastungsfaktor gewesen, der die Mannschaft stabiler gemacht hätte, weil er Optionen aus der eigenen Hälfte heraus ermöglicht hätte.

Luhukay macht es sich mit den jüngeren Spielern ein wenig zu leicht, vor allem, wenn man seine Großzügigkeit bei Routiniers wie Ndjeng in Rechnung stellt. Es gibt kaum einen Herthaner, der in diesem Herbst ausreichend zur Stabilität beigetragen hätte. Dass Mukhtar nie eine Chance bekam, ist schlicht nicht nachvollziehbar angesichts der teilweise unfassbar unproduktiven Spielweise von Hertha.

Nun wird sich wohl bald Benfica Lissabon mit ihm "beschäftigen", und die Fans in Berlin können wieder einmal aus der Ferne zuschauen, wie ein Talent aus der Hauptstadt irgendwo einen (seinen) Weg macht. Es kann sein, dass bei Hany Mukhtar nicht viel herauskommt, aber dass er in diesem Herbst nicht einmal ein, zwei Chancen bekam, sich zu zeigen, das kann der Coach nicht ausreichend begründen.

Nun müssen wir sehen, wie er im neuen Jahr mit Nico Schulz und John-Anthony Brooks umgeht. Derzeit trainieren wieder ein paar Teenager mit der ersten Mannschaft, aber insgesamt sieht es mit dem Nachrücken aus den Ausbildungsteams bei Hertha nicht gut aus.

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Kommentare

Kommentar von Oliver |

"Lieber Marxelinho, ich glaube auch, dass es mit Pal Dardai und Widmayer etwas werden kann. Dardai konnte die anderen immer mitreissen, da fiel nicht so sehr ins Gewicht, dass er kein Feintechniker war. Und mit Widmayer einer dazu, der schon Babbels Kopf gewesen ist. Vielleicht auch ein Gespann, das als Nichtberliner für diese mittlerweile so ausgeglichene Liga die notwendige Einstellung und das Trainertalent hat. Die Einstellung fehlt dem Berliner nämlich gerne mal in seiner Selbstüberzeugtheit. Denen aber andererseits hoffentlich auch das ""Haupstadtklub""- Ged�ns an einem bestimmten Körperteil vorbei geht, das wiederum würde kein echter Herthaner jemals in den Mund nehmen. Auch so etwas, was von aussen an den Verein herangetragen wurde, leider hat Preetz im Sportstudio das Gegenteil behauptet. Aber der ist ja auch kein Berliner, er kann es nicht wissen. Ich kenne den Begriff nicht von früher und ich glaube auch nicht, dass er verwendet wurde, als Berlin schon einmal Hauptstadt war. Ich werde das mal nachforschen. Ist jedenfalls für einen Berliner nicht die Identität des Vereins. Ich hoffe auch, dass die durch ein gutes, kluges Trainergespann erweitert wird.

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