Logische Konsequenz

Morgen steht noch die Mitgliederversammlung an bei Hertha, danach gibt es für eine Weile nur Nachwuchsfußball und Vorbereitung auf die neue Saison. Es liegt nahe, dass die zentrale Personalie auf der MV verkündet wird: Pal Dardai wird vom Feuerwehrmann zum Cheftrainer befördert. Das hat der Manager ja am Samstag schon so gesagt, dass man sich jetzt aus irgendwelchen Gründen nicht einigen könnte, wäre eine Sensation, und zwar eine, die den Club schlecht aussehen ließe.

Auch wenn die Sache insgesamt eindeutig ist, verdient sie doch zumindest eine Rekapitulation der Argumente: Ist es gut, mit Pal Dardai (und Rainer Widmayer) in die neue Saison zu gehen?

Ich neige, nach Abzug der situativen Argumente, die alle für einen bruchlosen Übergang sprechen, zu einem vorsichtigen Ja zu Pal Dardai. Er hatte 15 Spiele mit der Mannschaft, nachdem er Jos Luhukay abgelöst hat. Darunter waren nur zwei, die man als bedenklich bezeichnen muss: Freiburg und Dortmund. Dazu kommen ein paar mutlose Leistungen, die jeweils viel mit der Konstellation zu tun hatten (Köln und Frankfurt, im Grunde auch Stuttgart, als das Momentum am größten gewesen wäre). Der Spielplan und die allmählich enger werdende Lage brachten es mit sich, dass die Fortschritte aus den ersten paar Wochen mit Dardai allmählich verloren zu gehen drohten. Nicht wenige bemerken mit Recht, dass die Liga für Hertha keine weitere Woche hätte dauern dürfen.

Meine Eindrücke aus diesen Wochen sind, wie könnte es anders sein, vielfältig. Die defensive Kompaktheit der Mannschaft wurde allmählich zu einem Problem, in der offensiven Arbeit gab es viele positive Ansätze, allerdings konnten zwei zentrale Probleme nie gelöst werden, weil dafür das Personal fehlte: Kalou und Stocker waren letztendlich nur Ersatzlösungen auf ihren Positionen.

Zuerst ein paar Worte zur Defensive: Dardai war, anders als der mit vielen eigenartigen Einschätzungen schließlich destruktiv gewordene Luhukay, in der Lage, ein paar selbstverständliche Beobachtungen zu machen. John Anthony Brooks ist ein potentieller Führungsspieler, mehrfach musste ich in diesem Frühling an Simunic denken, wenn ich ihn spielen sah. Der Kroate hatte ja auch seine Aussetzer, wuchs aber zunehmend in seine Rolle hinein - denken wir an die beinahe große Saison unter Favre. Langkamp war auch wieder da, als Dardai kam. Damit begann die Konsolidierung von hinten mit zwei im Grunde kaum kontroversen Personalien. Dazu die Aktivierung von Plattenhardt, und die ordentliche Arbeit von Pekarik - eine ligataugliche Viererkette, in der sich alle noch steigern können.

Der Kapitän, Fabian Lustenberger, wurde dadurch für die 6er-Position frei, eine Auswirkung, deren Bedeutung kaum zu unterschätzen ist. Er spielte meistens sehr stark, allerdings mit geringer offensiver Wirkung. Die Leistung seines Nebenmanns Per Skjelbred sehe ich hingegen ein wenig skeptischer: Ihm fehlt es, das war jedenfalls mein Eindruck aus den Spielen, die ich live gesehen habe, an einer intuitiven Bewegung in die offenen Räume. Manchmal findet er sie, wenn das Spiel schnell wird, aber bei Ballbesitz Hertha ist er oft zu passiv.

Generell stand Hertha in den letzten fünf Spielen viel zu tief. Pressing gab es nicht, was auch mit dem symbolischen Anläufer Kalou zu tun hat, aber wohl taktisch vorgegeben war. Hertha griff erst ab der Mittellinie ein, auf Dauer ist das heute keine Spielkonzeption mehr, mit der man durch eine Saison kommt. Ob Dardai hier grundsätzlich neu ansetzen wird mit der neuen Saison, ist vermutlich die spannendste Frage.

Hier lohnt ein kurzer Rückblick, denn paradoxerweise war Hertha unter Luhukay, vor allem in der Hinrunde 2013, schon deutlich weiter, spielte ein interessantes, flexibles Pressing, das häufig als Quasi-Manndeckung gesehen wurde. Es war aber eine erfolgreiche Taktik, die irgendwann verloren ging - woran das lag, wird für jemand wie mich wohl für alle Zeiten in den arkanen Bereichen, also in der Kabine, verborgen bleiben. Es sieht aber doch deutlich so aus, als hätte Luhukay irgendwann die Mannschaft verloren.

Unter Dardai begann sie wieder zu arbeiten, konnte aber mit zunehmendem Saisonverlauf den vielfältigen Anforderungen eines heutigen Fußballspiels nicht mehr genügen. Dazu trugen mangelnde Erfahrung (Schulz und Haraguchi in markanten Offensivsituationen), mangelnde Einstellung (Kalou) und systemische Überforderung (Stocker, Skjelbred) bei. Mit einem besseren Mittelstürmer, einem interessanten Zehner, mit Stocker (und vielleicht sogar Kalou) auf den Flügeln, und einem hoffentlich stärker zurückkehrenden Tolga Cigerci könnte die ganze Sache schon deutlich besser aussehen.

Dardai spricht auf eine überzeugende und interessante Weise über das Spiel, ob er allerdings (gemeinsam mit Rainer Widmayer) ein Konzept findet, das über die biedere Punktesammlerei der Babbel-Hinrunde 2011 hinausführt, ist schwer einzuschätzen. Von der technischen Grundkompetenz her machte Hertha zuletzt einen guten Eindruck, allerdings fiel auf, dass nach dem enorm wichtigen Kopfballtor von Langkamp gegen den HSV die Standards wieder deutlich schlechter wurden, und als Faktor im Spiel keine Rolle mehr spielten. Bedenklich ist auch, dass von den Siegen unter Dardai nur der gegen Paderborn als herausgespielt bezeichnet werden kann. Vor diesem Hintergrund ist die stark nachlassende Qualität der Frei- und Eckstöße noch relevanter.

Trainer deuten manchmal an, dass es ihnen hinten und vorne an der Zeit fehlt, das alles zu trainieren, was notwendig wäre. Deswegen hängt so viel von der Vorbereitung ab, die im Vorjahr auch durch die zweite Einkaufswelle und durch die WM stark beeinträchtigt war. Heuer werden die Verstärkungen klüger und punktueller getätigt werden müssen, und zwar in den kommenden vier Wochen. Es sind die Wochen für den Mann, der noch viel stärker unter Erfolgsdruck steht als Pal Dardai: Michael Preetz, Geschäftsführer Sport, der mit der Personalie Dardai wieder einmal die logische Konsequenz aus einer Situation zieht, die perspektivisch langfristigeres Arbeiten bei Hertha einmal mehr vorerst nicht zulässt.

Sollte es Dardai allerdings gelingen, in diese Richtung wirksam zu werden, wäre er mehr als fast alle Anderen jemand, mit dem ich das sehr gern mitverfolgen würde. Das spricht letztendlich auch sehr für ihn, auch wenn das jetzt ein wirklich weicher Faktor ist. Nennen wir ihn Sympathie.

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