Löschbares Feuer

Markus Weinziel klang ein wenig selbstgefällig, als er vor dem Spiel des FC Augsburg in Berlin noch einmal auf diesen Satz angesprochen wurde, den er während der Woche geäußert hatte: "Mir brennen die Augen, wenn ich sehe, wie Hertha spielt. Weil ich uns selbst darin erkenne." Da hatte das noch nicht so geklungen, wie es dann im Olympiastadion zumindest in den Zwischentönen vernehmbar war: als hätte Augsburg nämlich so etwas wie ein Copyright, und Hertha hätte das geschickt aufgegriffen.

Das ist natürlich Blödsinn. Augsburg macht, wenn es gut geht, nichts anderes als eine kluge Version fußballerischen Minimalprogramms. Das hat letzte Saison für die Europacupteilnahme gereicht, und in den letzten fünf Spielen vor der Winterpause für eine Reihe von erfolgreichen Auswärtsspielen. Für Hertha war Augsburg zu Beginn der Rückrunde ein echter Test, denn tatsächlich kann man viele Parallelen zwischen den Konzeptionen erkennen. Allerdings weder deswegen, weil Weinzierl da etwas erfunden hätte, noch deswegen, weil Pal Dardai da etwas abgeschaut hätte.

Es geht ganz einfach darum, eine Mannschaft mit endlichem Talent in eine gute Balance zu bringen. Hertha hat die Hinrunde sehr selbstbewusst beendet, die Siege gegen Darmstadt und Mainz (zwei schwierig zu knackende Gegner) waren markant. Augsburg wurde der erwartet harte Test. Dabei sah eine halbe Stunde lang alles einigermaßen einseitig aus. Denn Hertha begann dominant, erarbeitete sich Möglichkeiten, nahm seine Verantwortung war. Die besteht nun einmal, wenn man auf Platz 3 steht und nicht nur so tun will, als wäre man zufällig dort hingespült worden, im Finden von Lösungen.

Das zweite und das dritte Drittel gehörten allerdings Augsburg. Nicht, dass der Gegner viel besser gewesen wäre, aber nach einer Weile ließ Hertha sich leichter zustellen, gelang es kaum mehr, den ersten Riegel zu überwinden, geschweige denn, in aussichtsreiche Offensivkonstellationen zu kommen. Tempo im Spiel war auch Mangelware.

Fabian Lustenberger war dabei eine Schlüsselfigur. Zwischen Skjelbred und Darida wäre es an ihm gelegen, Verknüpfungen herzustellen, aber er blieb unauffällig und wurde zu Recht ausgetauscht. Das Flügelspiel blieb auch wirkungslos, und zwar schon in der eigenen Hälfte. Man sieht zum Beispiel bei Plattenhardt, dass er einen Pass mit dem rechten Fuß, mit dem er im Halbfeld ins Zentrum spielen könnte, so gut wie nie probiert - da bieten sich zu wenig Räume an, er ist aber offensichtlich auch so auf den linken Fuß konditioniert, dass seine Bewegungsabläufe den alternativen Pass gar nicht zulassen.

Kalou versuchte das mangelnde Kombinationsspiel im Zentrum, das sich immer wieder auch als Verlegenheit an die eröffnenden Innenverteidiger Langkamp und Brooks mitteilt, durch weite Wege zum kompensieren. Er wollte der Spielmacher sein, der Darida nicht ist und den auch Lustenberger nicht einmal andeuten wollte. Dabei kam er aber vom Hundertsten ins Tausendste, und auf seiner eigentlichen Position fehlte er. Vedad Ibisevic machte eines seiner schwächeren Spiele, er kompensierte das mit Kleinkriegen. Dass ihm der Schiedsrichter die definitiv fällige gelb-rote Karte ersparte, war vielleicht eine Folge der einschlägigen Kommunikation zum Thema. Ibisevic fühlt sich ja von den Referees verfolgt, und hat das auch kundgetan. Gestern machte er aber seinem negativen Ruf alle Ehre, der Schiedsrichter war über Gebühr großzügig - aus Reaktion auf Ibisevics Propaganda?

Je länger das Spiel dauerte, desto mehr musste man den Eindruck gewinnen, dass der Coach mit einem torlosen Remis einverstanden war. Ob er dabei auch schon an den Auftritt im ZDF am Abend dachte? Man soll das nicht unterschätzen. Er war dort übrigens wieder souverän und super sympathisch - und intelligent. Zweifellos wollte er aber vor allem aus anderen als medialen Gründen den ersten Spieltag in erster Linie ungeschlagen überstehen. Auf Sieg ließ er nicht spielen, was man vor allem an einem Detail erkennen konnte: Trotz schwachen Flügelspiels und einem angezählten Augsburger Außendecker in Gestalt des jungen Max ließ Dardai Valentin Stocker auf der Bank, dabei war Haraguchi wirklich nicht gut.

Der Schweizer wird sich ohnehin schon länger seine Gedanken machen, dass er gestern nicht einmal für eine Viertelstunde zum Zug kam (Hertha wechselte nur zweimal aus), sah aus wie ein Signal. Ganz offensichtlich hat er nicht das Vertrauen des Coachs. Dass man während der Winterpause durchsickern ließ, er wäre zu langsam, ist sowieso verwunderlich. Gestern aber wurde der Misstrauensantrag ausdrücklich formuliert. Würde mich nicht wundern, wenn Stockers Berater vor dem 31. Januar noch etwas versuchen würde.

Das Remis gegen Augsburg geht so in Ordnung und macht wohl auch einen sinnvollen Auftakt für das Management der Erwartungshaltungen. Ohnehin wird in der Rückrunde jedes Spiel zu einem besonderen, weil es jeweils die Entsprechung zu besonderen Umständen in einer besonderen Hinrunde sein wird: gegen die Mittelgroßen (Wolfsburg, Gladbach, Schalke) wird sich Herthas wahrer Wert zeigen, immer vorausgesetzt, dass die Spiele gegen das Gros der Liga, zu dem Hertha immer noch zählt, auch zu Punkten führen.

Augsburg war gegen Hertha nicht an Lösungen interessiert, und Hertha fand schließlich selbst keine. So kam ein Spiel heraus, dass man als typisch für diese enge Liga sehen kann, in der man mit Minimalismus weit kommen kann. Dardais Intelligenz zeigte sich wohl darin, dass er gestern erkannte, dass Maximalismus keine Sache eines Spiels ist, und schon gar nicht eines ersten Spiels in einer Rückrunde, in der man sich mit einer blöden Niederlage eine Menge kaputt machen kann.

Das Unentschieden spielt ihm in jeder Hinsicht in die Karten, und wir können davon ausgehen, dass die "Frische", die er an der Mannschaft vermisste, bis zum Spiel in Bremen zurück kommt. Der Intelligenz wäre das zuträglich, denn die beruht nun einmal auch auf Sauerstoff. Lösungen sind nicht nur in der Mannschaft, sondern im Kader vorhanden. Hertha wird sie finden, das deutete sich gegen Augsburg an. Und irgendwann könnten Markus Weinzierl die Augen brennen, weil er seine Mannschaft nicht mehr in Hertha wiedererkennt. Das wäre ein Traum - aber eigentlich auch der Anspruch eines Hauptstadtclubs.

zurück zur Übersicht

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte addieren Sie 2 und 6.