Der Kommentator von Sky, Oliver Seidler, ein sachlicher Typ, hat gestern das Wort Prozess tunlichst vermieden. Er hat stattdessen aber von Evolution gesprochen. Hertha BSC befindet sich in einer Evolution, die vom FSV Mainz 05 allerdings mit einer soliden Kompakttaktik auf Pause gesetzt wurde. Auf desolatem Rasen, mit dem das Olympiastadion sich regelmäßig um diese Jahreszeit ligaweit blamiert, endete das Spiel torlos. Und Hertha hängt weiterhin deutlich hinter dem "little city club" aus Köpenick im Niemandsland der Tabelle fest.
Prozess, Entwicklung, Fortschritt, Evolution: das ist der große Mythos im Fußball, der so oft durch zweieinhalb Defensivreihen entzaubert wird. Ergänzt wird diese Rhetorik durch die Rede von einem Umbruch, der bei Hertha vor allem darin bestand, dass zwei Veteranen nicht weiterbeschäftigt wurden: Ibisevic und Skelbred wären demnach prozessauslösende Abgänge gewesen. Und von Jhon Cordoba müssten wir uns nun eigentlich eine Torevolution erwarten, die aufgrund von Verletzung aber derzeit ausbleibt, während Duda in Köln aufzublühen scheint.
Das sind alles Prozessfaktoren. Wie auch der enge Spielplan, bei dem nicht auszuschließen ist, dass schon im Februar die ganze Liga einen Burnout erleidet. Wenn man das alles mitbedenkt, bleibt als Meldung vom Dienstag übrig: Hertha kam an Malong Kunde nicht vorbei. Der defensive Mittelfeldspieler von Mainz, gemeinsam mit Kevin Stöger und Leandro Barreiro, organisierte einen Riegel vor der eigentlichen Defensive. Und Hertha schaffte es kaum einmal, diesen ersten Riegel zu überwinden. Hertha wurde zugestellt, und nicht von Paketboten.
Guendouzi, Stark und Tousart wirkten wie Panzerknacker, die noch nie einen Dietrich gesehen haben. Verlässlich gingen die Bälle irgendwann auf die Außenbahn, wo sie in Kleinklein versickerten. Es war ein Schulbeispiel für grundkompetenten Fußball aus der unteren Tabellenhälfte, bei dem Hertha allerdings die undankbare Rolle zufiel, etwas mehr als die Basics zu probieren, denn eigentlich stand ein Pflichtsieg auf dem Zettel. Da reicht es dann schon, wenn Cunha einen schlechten Tag hat, und alles steht.
Üblicherweise besteht die Hoffnung in so einem Spiel darin, den Gegner allmählich müde zu spielen, sodass sich schließlich doch irgendwo eine Lücke auftut. Man kann sich aber auch selbst müde spielen, zumal an einem Dienstagabend mitten im Dezember. Das war wohl gestern der Fall. Guendouzi, normalerweise in der zweiten Halbzeit besser als in der ersten, verschwand dieses Mal in der Anonymität. Mit den versäumten zwei Punkten tat Hertha Buße für Lücken, die man bei Mainz nicht zu schaffen vermochte.
Evolution ist ein Entwicklungsprozess, der sich (im Rahmen der Naturgesetze) die Gesetze selbst schreibt. In irgendeine Richtung geht es immer, wer sie festlegen kann, ist ein Künstler. Von dieser Kunst ist Hertha BSC seit jeher weit entfernt.
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