Luft nach oben

Ein schöner Ostersonntag war das gestern, vorwiegend am Schreibtisch, dabei immer die Sonne im Blick, die draußen schien. Ich wusste ja, dass ich am Nachmittag ins Olympiastadion fahren würde, nicht einfach zu einem Spiel, sondern zur Eröffnung dieser intensiven Schlussphase des Spieljahres, die nun begonnen hat: Pokal, "Champions League", Liga, dauernd wird gespielt, alles ist super spannend.

Als ich pünktlich zur Verkündung der Aufstellungen meinen Platz einnahm, war es allerdings schon ziemlich kalt, und die Sonne warf ungewohnte Lichtbalken ins Stadion. Wie das eben so ist bei einem Spätnachmittagsspiel im Frühfrühling. Die Verhältnisse waren zumindest für die Zuschauer ganz schön unwirtlich, und auch das Spiel trug nicht viel zur guten Laune bei.

Hertha gegen Paderborn, das erwies sich als eine zähe Sache, war wohl auch so zu erwarten gewesen. Allerdings ist das Verhältnis zur Mannschaft (und das der Mannschaft zu sich selbst) inzwischen so weit stabilisiert, dass sich dadurch niemand nervös machen lässt. Da die Mannschaft von Andre Breitenreiter, mit Srdjan Lakic in der Spitze, offensiv ausgesprochen harmlos war, reichte ein konzentriertes Spiel gegen den Ball lange Zeit aus, um alles offen zu halten. Offen für die Intensivierung des Spiels zum Ende hin, die nun schon fast ein kleines Markenzeichen der Hertha unter Coach Pal geworden ist - unter Favre war das auch schon einmal so gewesen. In den letzten 30 Minuten wird der Platz größer, sagt Dardai gern, der damit eine spezielle Relativitätstheorie des Fußballs vertritt, ein Raumzeitverhältnis, das mit der kürzeren Luft zu tun, die mancher Gegner dann schon hat.

Es brauchte dann allerdings neuerlich einen ruhenden Ball, dessen sich Marvin Plattenhardt annahm, um den Schlüssel zum Spiel umzudrehen. Er jagte einen Freistoß an die Querlatte, Stocker verwertete den Abpraller. Erwähnenswert dabei ist auch die Vorgeschichte: ein kleines Solo von Salomon Kalou, das nur durch ein Foul gestoppt werden konnte. Der Weltstar erweist sich zunehmend als Führungsspieler (was sich übrigens auch in Zahlen manifestiert: viertstärkste individuelle Laufleistung bei Hertha), er macht das auf eine elegante Weise, ohne große Gesten, aber man sieht ihn viel kommunizieren, und er wartet keineswegs nur vorne auf Zuspiele, sondern sucht die Räume.

Das sind wohl die beiden prominentesten Beispiele für Missverständnisse, die seit der Trennung von Luhukay behoben wurden. Man wird es wohl als Ausdruck innerer Genugtuung werten können, dass Plattenhardt nach dem Führungstreffer nicht den Pulk suchte, sondern sich für sich freute, einzig Brooks lief zu ihm und nicht zur Eckfahne. Valentin Stocker betonte nach dem Spiel, die Mannschaft wäre nun eine "verschworene Gemeinschaft", die sich sicher in der Kabine noch ausgiebig bei Plattenhardt bedankt hat, der immer wertvoller wird.

Kurz vor dem Ende, nachdem Thomas Kraft einen möglichen sofortigen Ausgleich von Paderborn mehr so nolens volens verhindert hatte, bekam Nico Schulz noch eine Flanke von Pekarik, und er entschloss sich zu einer Volley-Abnahme, die zu einem herrlichen Treffer führte. Der zwölfte Mann, das ist Schulz im Moment, machte den Sack zu. Er ist von Plattenhardt links hinten verdrängt worden, und von Haraguchi eine Position weiter vorn. Er ist genauso gut wie Haraguchi oder Beerens, aber im Moment nicht klar erste Wahl. Das zeugt von einer guten Dichte im Team, das derzeit auch von (neuen) Verletzungen verschont bleibt.

Hertha kann nun optimistisch in die kommenden beiden Spiele gehen: Hannover und Köln. Die Möglichkeiten sind absolut da, in zwei Wochen den Klassenerhalt fast schon sicher zu machen. Was sich genau verändert hat, ist "schwer zu erklären" (Valentin Stocker), liegt aber auf der Hand: Hertha hat wieder eine Mannschaft, die nicht dauernd von pädagogischen Experimenten durcheinandergerüttelt wird, sondern in der einzelne Spieler sich auf die Verrichtung ihrer Aufgaben konzentrieren können. Recht viel mehr war das am Sonntag nicht, aber es reichte, um einem wegweisenden Spiel die richtige Richtung zu geben.

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