Matchplanmatch

Drei Spiele, zwei Punkte, ein Tor. Das ist die ernüchternde Zwischenbilanz von Hertha BSC für die bisherige Rückrunde. Von den positiven Ansätzen im Dezember ist bis auf auf tolles Solo von Lazaro gestern in Bremen nicht viel geblieben. Vor allem gegen Teams, von denen man sich eigentlich positiv abgrenzen könnte, tut Hertha sich sehr schwer.

In Bremen gab es angeblich einen Matchplan, jedenfalls plauderte Pal Dardai ihn vor dem Spiel munter aus. Zwanzig Minuten hoch und mutig pressen - vermutlich war der Hintergedanke dabei, ein frühes Tor zu erzielen und Bremen dann kommen zu lassen. Bremen kam aber von der ersten Minute an mit einem Matchplan, auf den Pal Dardai & Co kein Copyright haben können, weil es dabei ja eigentlich nicht um Raketenwissenschaft geht, sondern um eine einfache Frage: Wer will das Spiel?

Hertha wollte es jedenfalls in der ersten Halbzeit nicht, und in der zweiten Halbzeit dann auch nur unter Vorbehalt. Die Passivität vor der Pause hatte beinahe etwas von einer Hypnose. Man hatte den Eindruck (ich war nicht live dabei), man hätte da alles Mögliche reinrufen können, es hätte nicht gewirkt. Erst in der Kabine konnte Pal Dardai mit dem Finger schnippen: Hallo, aufwachen.

Schon oft hat sich die Mannschaft von ganz normalem Pressing völlig aus dem Spiel nehmen lassen. Gegen Gladbach in der Hinrunde gab es in so einer Situation drei Gegentore, gegen Wolfsburg eine chaotische erste Halbzeit. Gegen Bremen stand immerhin die Null. Aber die Versuche, sich zu befreien und irgendetwas mit dem Spiel anzufangen, blieben äußerst dürftig. Dabei fiel auch niemand auf: alle waren gleichermaßen zaghaft und mit dem Reagieren vollauf beansprucht.

Da der Bremer Matchplan auch nicht aufging (hohes Pressing ohne Torerfolg wird irgendwann riskant), bekam Hertha in Halbzeit zwei ein paar Zehen in die Tür. Wie sehr die Mannschaft aber mit ihrer Ratlosigkeit haderte, konnte man an Davie Selke sehen, der zunehmend desparater auf Einzelaktionen im Niemandsland verfiel (einen dubiosen Freistoß, den er dabei herausholte, setzte Lazaro kraftlos in die Mauer), und sich dann eine der unnötigsten Verwarnungen aller Zeiten abholte. Man musste tatsächlich einen Ausschluss befürchten, er machte dann auch Ibisevic Platz.

Das Problem, das nun leider tatsächlich schon wieder eines ist (wir haben alle im Kopf: die Rückrundenbilanzen der letzten Jahre, die vielen schwachen ersten Halbzeiten unter Pal Dardai), hat allem Anschein nach eine mentale Ebene, die aber auch etwas mit der inneren Hierarchie in der Mannschaft zu tun haben wird. Niklas Stark ist ein Innenverteidiger mit einigem Potential in den klassischen Aufgabenbereichen (Lufthoheit bei Standards, Blocken), aber seine spieleröffnenden Pässe sind so schwach, dass man sich damit einmal beschäftigen sollte (muss ja nicht gleich ein Hummels aus ihm werden).

Torunarigha hat seine Verlegenheit bei Ballbesitz auch gestenreich erkennbar gemacht - was natürlich auch niemandem hilft. Von Torunarigha wird man mehr Souveränität noch nicht erwarten, von Niklas Stark vielleicht doch schon ein bisschen, oder auch er von sich selbst, wenn er mehr werden will als ein durchschnittlicher Ligacrack in einer unterdefinierten Mannschaft.

In der Vorbereitung hat Hertha ab und zu eine Fünferkette bei spieleröffnendem Ballbesitz probiert, mit einem zentralen Quarterback und an die Mittellinie vorgerückten Außendeckern. Bremen sorgte gestern dafür, dass die Mannschaft sich das nicht zutraute. Bleibt also die Frage, wie man in einer Situation die Initiative zurückgewinnt, in der ein Gegner das Spiel macht, das man selber machen möchte - Hertha wurde von Bremen ausgepresst, Hoffenheim wird ähnlich spielen.

Pal Dardai sendet vielleicht ein wenig zu viele gemischte Signale aus. Seine Rhetorik (er will drei Punkte, notfalls dreckig) widerspricht seiner allgemeineren Erzählung vom Ausbildungsjahr. Hertha täte gut daran, sich mit konkreten Erwartungen aus einzelnen Spielen zurückzuhalten. Stattdessen könnte man den Ganzjahresanspruch konsequenter ernst nehmen: Ein Spiel ist dann gut, wenn es erkennen lässt, wohin die Mannschaft gehen will. Vor allem vor diesem Hintergrund war das Spiel in Bremen eine Enttäuschung.

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