Nachsitzen

HSV oder VSG Altglienicke? Auf diese Alternative könnte man derzeit die Situation von Hertha BSC bringen. Spiele gegen den Hamburger Sport-Verein fänden in Liga zwei statt, in Liga vier würde zum Beispiel der Club aus Altglienicke warten. Die Verantwortlichen bei Hertha haben heute Unterlagen bei der DFL abgegeben, mit einer Entscheidung über die Lizenz ist nicht unmittelbar zu rechnen, notfalls wolle und würde man auch nachsitzen, so wurde Vereinspräsident Kay Bernstein zitiert.

Ich finde, es lohnt von Fanseite zwischendurch auch einmal kurz eine Überlegung darüber, ob die Lizenz denn wünschenswert ist – oder ob unter Umständen ein Neubeginn in Liga 4 das bessere Szenario wäre. So weit ich sehe, wurde das bisher nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Vielleicht gibt es aber doch ein paar interessante Punkte dazu. In jedem Fall sind beide Szenarien ähnlich vertrackt.

Ein Neubeginn in Liga vier wäre, wenn ich richtig sehe, dann der Fall, wenn die aktuelle KGaA ihre finanziellen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen könnte. Oder wenn die DFL zu der Auffassung kommt, dass dieser Fall mit einer größeren Wahrscheinlichkeit eintreten wird, als dass Hertha sich im laufenden Spielbetrieb in Liga zwei konsolidieren kann. (Die andere Thematik mit 50+1 durch Trippelsieben lasse ich einmal außen vor.) Hertha wäre dann insolvent, die KGaA nicht mehr geschäftsfähig, sie würde unter Verwaltung gestellt werden, auch da gibt es wohl mehrere Detailszenarien.

Mich interessiert eine plausible Timeline. Erstens: Hertha bekommt die Lizenz für die Liga zwei, verschiebt die Rückzahlung der Anleihe um zwei Jahre auf 2025, und versucht, sich mit Hilfe des Investors zu errappeln. Zweitens: Hertha gibt auf, geht in die vierte Liga, und versucht einen grundlegenden Neubeginn.

Erstens: Die Rückzahlung der Anleihe im Jahr 2025 ist ohne einen extra Zuschuss des Investors vermutlich auch dann noch ein so grober Brocken, dass schon ziemlich viel gut laufen muss, um das für realistisch zu halten. Nehmen wir einmal an, dass der sofortige Wiederaufstieg nicht gelingt, wofür leider einiges spricht. Nehmen wir an, Hertha schafft es zwei Spielzeiten hintereinander nicht, den Aufstieg klarzumachen. Dann wäre Hertha im Herbst 2025 ein Zweitligist mit 40 Millionen allein Anleiheschulden.

Zu diesem Zeitpunkt könnte Hertha auch schon ein Zweitligist ohne Schulden sein, wenn man aus der vierten 2024 in die dritte und 2025 in die zweite Liga aufsteigen würde. Was natürlich auch keineswegs gesagt ist, dass das so laufen müsste.

Bei dem Szenario, das ich Neubeginn nennen werde (das andere von nun an Altbeginn), gibt es eine ganze Reihe von Fragen, die ich nicht beantworten kann, die aber zu stellen relevant ist. Erstens die Namensrechte. Könnte im Fall einer Insolvenz der KGaA jemand den Namen Hertha BSC "pfänden"?

Weiters wäre interessant, was der Neubeginn für den Investor bedeutet. Der wäre zuerst einmal aus dem Spiel, denn die bisherigen Verhandlungen bezogen sich sicher in erster Linie auf das Szenario Altbeginn, und die bestehende KGaA (de facto ja zwei, danke Ingo Schiller). Aber im Grunde spricht nichts dagegen, dass Trippelsieben einen Viertligisten hochpäppelt, es gibt ja auch inzwischen ein Vorbild für eine solche Strategie.

Ich bin weit davon entfernt, auch nur annähernd einen Einblick zu haben, der es mir erlauben würde, in diesen heiklen Fragen eine vernünftige Entscheidung vorzuschlagen. Aber ich finde, dass es zu den Vernunftaspekten in dieser Anlegenheit gehört, sich auch bezüglich der mittelfristigen Verlaufsmöglichkeiten ehrlich zu machen – und nicht unter dem extremen Druck der derzeitigen Umstände alles gerade noch so schönzurechnen, dass die DFL darauf einsteigen kann, wobei im Grunde alle wissen, dass nächstes Jahr die gleiche Hängepartie bevorsteht, und dass 2025 das Fallbeil erst recht herunterkommen könnte.

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