Patridiot

An Josip "Jo" Simunic habe ich viele Erinnerungen. Einmal habe ich ihn in einem Flugzeug gesehen, das von Wien nach Berlin flog, und das für seine Körpergröße fast schon eine zu niedrige Kabine hatte. Oft hat Valdano ihn in einem Wett- und Sportcafe in Berlin gesehen, wo er allerdings nichts Ehrenrühriges getan hat außer meistens etwas diesseits von Avurveda-Küche essen. "Jo" war Identifikationsfigur einer Hertha, die heute schon beinahe antik wirkt: Arne Friedrich, Dick van Burik, Niko Kovac, Marko Pantelic - ich behaupte einmal, dass keiner von ihnen unter Luhukay einen Stammplatz hätte.

Nun erreicht uns eine Meldung, die auf ein trauriges Karriereende verweist: Jo Simunic wurde wegen seines nationalistischen Jubels nach der erfolgreichen WM-Qualifikation Kroatiens für zehn Spiele gesperrt (die Sperre bezieht sich, demütigendes Detail am Rande, auch auf den privaten Besuch der entsprechenden Spiele, er darf also nicht einmal in die Stadien). Die WM kann er damit vergessen, und das war es wohl auch mit dem Nationalteam insgesamt für ihn. Größtmöglich blöde Pointe für eine große Blödheit. Nach dem Spiel gegen Island hatte Simunic sich des Mikrophons bemächtigt und mit den Fans einen Ruf ausgetauscht, der seinen Ursprung im faschistischen Kroatien hat: "Für die Heimat - bereit" verwendet niemand, der sich der ultranationalistischen Implikationen nicht bewusst ist.

Nun aber noch ein bisschen Küchenpsychologie. Jo Simunic ist ein sensibler Typ, wie man so schön sagt, man musste ihn nicht persönlich kennen, um an der Weise seines Spiels, an der Art, wie er sich selbst präsentierte, an seinen Momenten, in denen er aus sich herausging, zu sehen, dass er nur dem Anschein nach die Ruhe selbst war - dies kam in manchen super coolen Manövern auf dem Platz zum Ausdruck, die dann auch gern einmal ein bisschen arrogant wirkten. In einer Kultur so prononcierter Männlichkeit, wie man sie der kroatischen Fußballnationalmannschaft unterstellen darf, gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, sich dazu zu verhalten. Eine ist Überkompensation, ein Muster, das mir bei Simunic immer schon als das plausibelste erschien, und das auch in so dramatischen Ausreißern wie seinem Foul gegen Serbien zum Ausdruck kommt.

In Deutschland ist der Fußball ein stark eingehegtes, familienfreundliches Spektakel geworden. Wäre Simunic hier geblieben, hätte er also seiner Karriere jene Qualität geben können, die ihm das Ausgedinge bei Dinamo Zagreb erspart hätte, dann wäre es wohl auch zu dem letzten Eklat nicht gekommen (dass er vielleicht wirklich ein unverbesserlicher Ustaschist ist, will ich nicht glauben). Man könnte also mit einem gewissen Recht sagen, dass die Sperre von 2013 mit einem Moment zusammenhängt, der auch für Hertha absolut entscheidend war: dieses Saisonfinale 2009, das Lucien Favre vergeigte. Es war nicht zuletzt die Saison des Jo Simunic, und an den damals gezeigten positiven Eigenschaften auch im Umgang mit dem Mikrophon und in der Kurve will ich ihn auch weiterhin messen. Seinen nationalistischen Gruß entschuldigt das nicht, doch dafür hat er ja ohnehin eine Sanktion von höchster Stelle bekommen.

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