von Marxelinho

Rätselhaftes Charisma

Die Woche bei Arsenal steht im Zeichen der Gerüchte um Mesut Özil. Mit einem 3:1 über West Ham hat die Mannschaft am Samstag zumindest das Allernotwendigste geschafft, um Unai Emery nicht jetzt schon in gröbere Schwierigkeiten geraten zu lassen. Özil war nicht im Kader, ein brasilianischer Journalist behauptet, es hätte einen Eklat während der Trainingswoche gegeben. Emery dementierte naturgemäß, sprach vage von einem Katarrh, ließ aber auch durchblicken, dass Özil wohl auf der Bank begonnen hätte.

Die Sache hat zwei Aspekte: einen persönlichen, und einen taktischen. Die beiden hängen wohl auch zusammen. Gegen West Ham spielte Aaron Ramsey auf der zentralen Offensivposition, die Özil eigentlich für sich reklamiert - oder für die er am besten geeignet ist. Gegen Chelsea wurde dieser Wechsel auch schon vollzogen, dort während des Spiels, als Özil ziemlich früh ausgetauscht wurde.

Ramsey soll bei Arsenal verlängern, ist im letzten Vertragsjahr, und zögert mit einer Unterschrift. Emery möchte ihn offensichtlich behalten, und baut ihn nicht nur zum Führungsspieler auf, sondern sogar zum Spielmacher. Gegen West Ham sah das gar nicht schlecht aus. Die Personalie hat aber auch damit zu tun, dass Ramseys bisheriger Platz nun besetzt ist, weil Arsenal mit Torreira und Guendouzi zwei Spieler für das defensive Mittelfeld gekauft hat, und dann ist da ja auch noch Xhaka. Ramsey muss also nach vorne rücken.

Bisher probiert Emery da noch ziemlich herum, wie sich das Puzzle am besten lösen lässt. Offensiv wird das allmählich interessant, vor allem, nachdem Lacazette noch dazu kam, und Aubameyang aus dem Sturmzentrum in eine flexible Rolle wechselte. Das dritte Tor erzielte dann sogar Danny Welbeck, ein weiterer Stürmer.

Insgesamt aber das das Heimspiel gegen West Ham aus wie ein typisches Spiel unter Arsene Wenger: es war gekennzeichnet von einer dramatisch porösen Überlegenheit. Dabei ist schwer zu sagen, wieviel davon einfach individuelle Begriffsstutzigkeit ist (Mkhitaryan ist defensiv sicher kein Bollwerk, Bellerin wirkt oft desorientiert, und Xhaka fehlt im Stellungsspiel einfach fast jegliche Intuition), und wieviel mangelnde Planung. Mit Sokratis und Mustafi im Zentrum und mit den noch nicht justierten Kräften Guendouzi, Torreira und Xhaka davor bietet Arsenal derzeit auf jeden Fall noch viel Anschauungsmaterial für Fehler beim gemeinsamen Verteidigen.

Der persönliche Aspekt spielt bei der Causa Özil sicher auch eine große Rolle. Er kam aus seinem Sommerurlaub mit dem Paukenschlag des Rücktritts aus der Nationalelf zurück, wurde von Arsenal in Singapur auch offensiv vermarktet, und Emery erklärte ihn zu einem der Kapitäne für die Saison. In den beiden ersten Spielen gegen Manchester City und Chelsea zog er dann sofort wieder die Kritik auf sich, die ihm nun einmal schon tonnenschwer nachhängt: dass sich keine Mannschaft an ihm aufrichten kann.

Es ist tatsächlich ein rätselhaftes Charisma, das ihm eignet. Die ungeheure Popularität in den digitalen Netzwerken scheint seine Introvertiertheit noch zu verstärken. Dort ist er ja eine Kunstfigur, eine gescriptete Realität. Mir kommt allerdings vor, dass seine Ausstrahlung eben viel mit der latenten Melancholie zu tun hat. Ich muss immer an Buster Keaton denken, wenn ich Özil sehe. Auf dem Platz scheint er auch immer vor allem mit sich selbst beschäftigt. Wenn es gut läuft, erkennt man dann aber doch, dass er lebendig ist, wenn es nicht so gut läuft, richtet sich sein Blick ins Leere.

Arsenal könnte seine aktuellen Probleme vermutlich auch ohne Özil lösen. Ob sich die Mannschaft überhaupt noch einmal einen Nimbus erarbeiten kann, hängt nicht entscheidend von ihm ab. Er hat einen Vertrag, wie ihn nur ein unersetzbarer Spieler bekommt, aber vorerst ist es ihm nicht gelungen, diese Position zu rechtfertigen. Jetzt bin ich klarerweise höchst gespannt, wie sich die Sache bis Sonntag weiterentwickeln wird: dann spielt Arsenal in Cardiff.

Kommentare

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 2 plus 8.