War es das Arsenal-Logo, auf das Alexis Sanchez am Mittwochabend seine Faust schlug, oder war es einfach seine linke Brust? Vermutlich hat der chilenische Stürmer in der Freude über sein 1:0 gegen Southampton einfach vergessen, dass ganz Europa darauf schaut, wo er kommende Saison spielen will. Arsenal dürfte es nicht sein, auch wenn es nach zwei Siegen in Folge sogar so aussieht, als wäre die "Wenger-Trophy" nicht ganz abzuschreiben: Platz 4 ist noch drin.
Es ist in hohem Maß seltsam, und andererseits eben auch wieder typisch für den Fußball, wie derzeit bei Arsenal schon wieder so etwas wie Routine einkehrt. Die souveräne Leistung, mit der ein unangenehmer Gegner wie Southamptom aus dem Weg geräumt wurde, ließ fast schon wieder an ältere Zeiten denken. Selbst das neue System mit der Dreierkette, über das Barney Ronay neulich noch eine herrlich gehässige Kolumne geschrieben hatte, richtete zumindest keinen Schaden an - im Gegenteil kam Southampton dadurch zu zahlreichen Flanken, für die es aber in der Mitte keinen Abnehmer gab.
Der Führungstreffer kam nach einer Stunde, durch eine schöne Kombination von Özil mit Sanchez, der sich im Sechzehner mit einer tollen Verlagerung Platz schaffte für den Torschuss. Giroud besorgte gegen Ende mit einem Kopfball die Entscheidung, die Vorlage kam von Ramsey, die entscheidende Vorlage zu der Vorlage kam von Sanchez, der einen dieser gefühlvollen Heber spielte, die so halbe Flanken sind, und die er gern von der Sechzehnerlinie aus spielt. Auch das ist eines seiner Talente.
Arsenal nähert sich allmählich wieder einem "business as usual". Die Niederlage gegen Tottenham verblasst, der Sieg gegen eine fast schon peinlich desinteressierte Mannschaft von Manchester United macht sich mindestens in der Statistik gut, der Sieg gegen Southampton war sogar überzeugend. Nun wartet am Wochenende ein Gegner, der oft schon Ernüchterung brachte: Stoke City.
Derweil fragt sich weiter fast alle Welt, wie es weitergehen soll. Mit Wenger oder ohne ihn, mit veränderten Strukturen (CEO Ivan Gazidis will die Saison zumindest als "Auslöser für Veränderung" begreifen) oder mit der gefährlichen Drohung, die Wenger gerade gebrauchte: "I am who I am." Er meinte damit wohl den erfahrenen Fußballtrainer, der verlässlich die "Wenger-Trophy" holt. Er meinte sicher nicht den Betreuer eines Teams, das verlässlich gegen Topteams verliert, in der Champions League ohne Chance ist, und Jahr für Jahr eine lange Phase der Desorientierung hat, bevor es zum Ende hin wieder ein bisschen besser wird.
Wenger weiß nicht, was ein Sportdirektor ist. Da hat er ja recht, so genau weiß das niemand, denn das hängt von den Personen und von den konkreten Strukturen ab. Er könnte sich ja einmal das Arbeitsverhältnis zwischen Jupp Heynckes und Matthias Sammer 2013 anschauen, obwohl man darüber en detail nichts erfährt - es wirkte aber jedenfalls so, dass die Bayern von der Zusammenarbeit enorm profitierten.
Von einem beratungsresistenten Alleinentscheider, der den Kader verlässlich immer nur so weit ergänzt (und nützt), dass es für die Wenger-Trophy reicht, wird man aber Interesse für einen anderen Blick auf die Dinge nicht erwarten dürfen. Man muss sich das ja zwischendurch immer wieder einmal klar machen: Bei Arsenal ist Wenger das, was Zorc und Tuchel beim BVB sind, was Reschke und Gerland und Ancellotti (und die anderen Italiener) beim FC Bayern sind, was Michael Preetz und Pal Dardai bei Hertha sind. Er ist das jeweils in einer, in seiner (selbstherrlichen) Person.
Natürlich bin ich jetzt auch hin und her gerissen. Eigentlich denke ich mir, Stoke sollte nach Möglichkeit am Samstag die Sache klar machen und Arsenal in die Europa League oder ganz aus den internationalen Bewerben schießen. Nur so ist die Disruption denkbar, die Arsenal dringend benötigt. Aber das süße Gift des Gewohnten wirkt auch bei mir. Wie sollte es auch nicht? Als Fan denke ich nicht konzeptuell. Ich möchte Özil und Sanchez, Xhaka und Welbeck kombinieren und abschließen sehen, und ich möchte, dass Mustafi für seine Grätschen den BFG-Award bekommt. Ich möchte, dass Rob Holding, der junge Verteidiger, zu einem neuen Tony Adams heranreift, auch wenn er bisher eher aussieht wie einer der typischen Wenger Boys.
Ich möchte, ich träume, ich überlege, und zum Glück ist schon am Samstag wieder ein Spiel. Dann wissen wir wieder ein bisschen mehr, oder vielleicht sogar sehr viel mehr, weil Wenger ja eventuell die gerade kurzfristig günstige Stunde nützen könnte, um sich zu erklären. Wahrscheinlicher aber genießt er seinen Status als Orakel in eigener Sache: He is who he is. Da kann ich gut pythisch nur raten: Gnothi seauton! Und lernen Sie Golf, Sire!
Kommentare
Einen Kommentar schreiben