Runenkunde

Das nennt man wohl proaktives Handeln: Hertha meldet schon deutlich vor dem nächsten Transferfenster die Verpflichtung eines neuen Torhüters. Rune Jarstein, 29 Jahre alt, kommt von Viking Stavanger. Nach allem, was man über den Schlussmann, der immerhin norwegischer Nationaltorwart ist, erfahren kann, ist das eine weitere schlüssige und typisch pragmatische Maßnahme. Coach Luhukay will keinerlei Eventualitäten riskieren.

Das bedeutet konkret, dass der Status von Thomas Kraft als Nummer eins sicher nicht angetastet wird, dass Luhukay aber offensichtlich nicht nur das Gefühl hatte, es im Verletzungsfall zu schnell mit einem zu unerfahrenen Talent zu tun zu haben (neulich saß schon einmal Marius Gersbeck auf der Bank), sondern auch, dass Kraft einen echten Konkurrenten brauchen könnte. Prinzipiell ist es wünschenswert, eine unumstrittene Nummer eins zu haben (allzu viele Erstligisten plagen sich da ja mit Unklarheiten herum), allerdings ist es wiederum für die Nummer eins wichtig, dass sie nicht zu unumstritten ist. Diese feine Balance könnte durch Jarstein verbessert werden. Dass er ablösefrei kommt, versteht sich weitgehend von selbst.

Damit ist in diesem hochinteressant auf flache Hierarchie bei starkem Leistungsethos hin konzipierten Kader eine weitere Position ein wenig mit Spannung aufgeladen worden. Luhukay versteht es ja offensichtlich sehr gut, den Spielern einerseits Anreize zu setzen (der stärkste ist sicher, dass sie jedes Mal konkret sehen können, wie ihre Arbeit sich in Erfolg auswirkt), ihnen aber andererseits nie das Gefühl zu geben, dass jemand sich in Manier eines Honorarkonsuls auf einem Stammplatz wie auf einem exotischen Außenposten einrichten kann.

Was die Torwart-Position bei Hertha anlangt, so ist bisher nicht wirklich deutlich geworden, was durch die Ablöse von Christian Fiedler durch Richard Golz erreicht werden sollte. Thomas Kraft ist in seinen Stärken und Schwächen in etwa dort, wo er seit Jahren ist, das reicht für einen Bundesliga-Mittelständler, wie Hertha das im Moment darstellt. Für die auch schon erkennbaren Ambitionen nach weiter oben gibt es aber eben auch bei Kraft noch Spielräume, von denen unklar ist, ob er sie selbst nützen wird können. Der neue Vertreter passt also perfekt in das Bild von der Luhukay-Pädagogik. Man könnte von mustergültigem Personalmanagement sprechen.

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