Mit dem Wort Schicksalsspiel sollte man vorsichtig sein. Ein bisschen Berechtigung hatte es aber an diesem Morgen, an einem sonnigen, aber windig kalten Sonntag, vor dem Auswärtsspiel bei der Braunschweiger Eintracht. Bei einer Niederlage wäre Hertha BSC punktegleich mit den Gegnern gewesen, die auf dem Relegationsplatz stehen. Es sind danach noch acht Runden zu spielen, insofern könnte man von einem Vorspiel zu einem Schicksalsspiel sprechen, oder von einem kleinen Schicksalsspiel, oder von einer Probe auf ein Schicksalsspiel. Egal, es stand jedenfalls viel auf dem Spiel.
Deswegen fuhr ich nach Braunschweig. Ich war ja zuletzt eher kein Schlachtenbummler, schon gar nicht gehöre ich zur Menge der Unentwegten, die alle zwei Wochen für Hertha BSC auswärts Heimspielbedingungen machen. Der kleine Fußballgott meinte es gut mit mir: ich hatte auf einer verhassten Ticketplattform eine Karte gekauft, bei der ich erst knapp vor Spielbeginn erfuhr, wo genau ich sitzen würde. Es stellt sich heraus: direkt neben der Ostkurve, die im Braunschweiger Stadion eine Nordwestkurve ist. Ich saß also unter Blauweißen, wenngleich nicht im Block.
Die erste Halbzeit, in der das Spiel weitgehend schon entschieden wurde, sahen wir also vor allem die Defensive hautnah, und Fabian Reese sorgte auf unserer Seite für Dynamik. Hertha spielte mit einem schiefen 5-1-3-1, wobei die rechte Seite mit Kenny, Cuisance und Reese das größte Momentum brachte. Scheerhant vorne drin, links hatte Zeefuik die Seite weitgehend allein, Klemens allein als Ankersechser, Maza kam oft weit entgegen. Der Spielaufbau war nicht auffällig, aber das war nicht so wichtig, weil Reese schon nach acht Minuten traf. Danach hatte Hertha mehr Räume, und dafür hatte sie das richtige Personal.
In Halbzeit zwo nach einem Pausenstand von 3:0 gab es noch ein Sahnehäubchen für die mitgereisten Fans, als Reese einen sehr schönen Scheerhant-Pass elegant mit einem Lupfer verwertete, der in einen Kullerball überging – es war immer klar, dass er über die Linie gehen würde, aber er tat das gleichsam trödelnd, zur umso größeren Frustration der gegnerischen Verteidiger.
Ein Wort noch zu den Fans. Die Herthaner verzichteten dieses Mal auf das übliche (Ein)Rauchopfer. Es wurde großartig gesungen, darunter auch Blödsinn ("Alle Bullen sind Schweine", na ja), und dass bei der Mannschaftsaufstellung der Eintracht jeder Spieler den Namen "H*rensohn" bekommt, ist halt alte Schule. Fans machen Stimmung, deswegen nehmen sie sich viel heraus. Mir kommt vor, die Kurve war schon einmal weiter, aber die harten letzten Jahre haben auch den Fußball ein wenig ramponiert.
Jetzt war ich also auch einmal im Eintracht-Stadion und kann hinter diese schön altmodische Spielstätte einen Haken machen. Die Stadien in Liga 3 wären sicher alle interessant, muss ich aber nicht unbedingt alle mit unserer Hertha besuchen. Fan sein heißt, immer wieder von vorn beginnen. Ergebnis von heute: nach dem (abgewendeten) Schicksalsspiel ist vor dem Pflichtsieg.
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